Wetter. Volker Kowalski (54) fährt seit mehr als 30 Jahren Lkw. Er ist Trucker aus Leidenschaft. Aber jetzt hat er die Nase voll.

Kurz vor dem Autobahnkreuz Dortmund/Unna hat es ihn doch noch erwischt. 550 Kilometer entfernt, in Sachsen, war Volker Kowalski (54) mit seinem MAN-Fernverkehr-Lkw gestartet und hatte die Strecke einigermaßen flüssig hinter sich gebracht – was auf deutschen Autobahnen schon etwas heißt.

Das Ziel vor Augen steht der Tiefkühl-Truck im Stau. Der Lkw-Fahrer wirkt entspannt. Nervt der Stau denn nicht? „Das gehört zu meinem Job“, sagt der Wetteraner, bevor kurz danach sein Blutdruck in die Höhe schnellt. Wenn er auf die Arbeitsbedingungen und den Nachwuchsmangel zu sprechen kommt.

Führerschein bei der Bundeswehr

Volker Kowalski ist seit mehr als 30 Jahren auf der Piste. Nachdem er bei der Bundeswehr den Lkw-Führerschein gemacht hatte, bewarb er sich bei einem Transportunternehmen, um sich Geld für ein Studium zu verdienen. Zu einer Erstsemester-Veranstaltung ist es nie gekommen, sein heutiger Arbeitgeber warb ihn ab. „Der Job hat sich mich ausgesucht“, sagt Kowalski, während es auf der rechten Spur wieder ein paar Meter weiter geht.

„Ich habe meinen Job immer gerne gemacht“, sagt er und zieht alsbald vom Leder: „Die Politik nimmt einem den letzten Rest Motivation.“

Autobahn-Parkplätze fehlen

Wenn Verkehrsminister sich für neue Autobahn-Parkplätze feiern, verdreht Kowalski seine Augen. „Viel zu wenige nach wie vor. Und die, die es gibt, sind belegt.“ Dann muss er, wegen der Ruhezeiten, in Gewerbegebiete ausweichen und findet immer häufiger Lkw-Parkverbots-Schilder.

„Man muss sich das vorstellen: In Gewerbegebieten, die ohne Lkw nicht existieren könnten, dürfen Lkw nicht abgestellt werden.“ Passiert es doch, kann es teuer werden. Kowalski hat jüngst um 23.57 Uhr ein Knöllchen bekommen. Mit der Verschärfung des Bußgeldkatalogs kostet ihn der Spaß demnächst satte 55 Euro.

Nachwuchsmangel drängendes Problem

Was heißt Spaß? Speditionen und Logistiker klagen über Nachwuchsmangel bei Fahrern. „Angesichts schlechter Bezahlung und gestiegenem Zeitdruck wundert mich das nicht.“ Hinzu komme der fehlende Respekt an der Rampe: „Wir werden schlecht behandelt. Oft ist Lagerpersonal eingespart. Wir müssen dann selbst entladen.“

Kowalski hat noch einen Altvertrag, verdient gut, wie er sagt, und ist nur ein, zwei Nächte in der Woche nicht daheim. „Ich bin eine aussterbende Spezies“, sagt er und verweist darauf, dass Unternehmen immer mehr Aufgaben an „Billigfirmen“ abgeben, die Lkw-Fahrer aus Osteuropa für einen Niedriglohn und mit hoher Wochenarbeitszeit über die Autobahnen fahren lassen.

Niedriglohn und hohe Wochenarbeitszeit

„Die bekommen 500 Euro brutto und können sich daher nicht die 70 Cent für die Toilette an der Raststätte leisten, geschweige denn eine Dusche.“ Damit das „System“, wie Kowalski es nennt, am Laufen bleibt, drückten die Behörden oft die Augen zu: „Auf den überfüllten Rastplätzen übernachten Fahrer an Wochenenden in ihren Lkw. Ist nach EU-Recht verboten. Es passiert aber nichts.“

Oder die Gewerbegebiete, wo falschparkende Lkw mit osteuropäischen Kennzeichen oft nicht sanktioniert würden – weil die Bußgeld-Verfolgung in der EU erst ab 75 Euro beginnt, so Kowalski.

Er will seine Mitmenschen wachrütteln

„Wir dagegen werden gemolken bis zum Gehtnichtmehr.“ Beispiel Abstandsmessungen: „Wenn ich mit 51 km/h statt 50 unterwegs bin und 49 Meter Abstand statt 50 habe, bin ich mit 130 Euro und drei Punkten in Flensburg dabei.“

Volker Kowalski kämpft mit offenem Visier, wie er sagt. Der zweifache Familienvater möchte Mitmenschen wachrütteln, die über volle Autobahnen klagen, aber wie wild im Internet Waren bestellen: „Der Pakete-Wahn begünstigt das System. Die Fahrer, die auch weniger als halbvolle Lkw für Online-Händler durch die Republik bewegen, fehlen woanders. Zeit- und Preisdruck sowie Stress durch Staus werden dazu führen, dass die Bedingungen für Lkw-Fahrer noch schlechter werden.“

Ändern würde sich erst etwas, wenn die Verbraucher vor leeren Regalen stünden. Und wenn sich die Politiker des Themas annähmen. Manchmal denkt Kowalski, „fahrt euren Mist doch selber“. Dann wieder denkt er, dass er eigentlich seit mehr als 30 Jahren einen schönen Job macht. Nach zehn Kilometern ist der Stau am Autobahnkreuz Dortmund/Unna vorbei. „Ich rolle mit 80 km/h in Richtung Heimat“, sagt er, „was will ich mehr?“