Hagen. Innerhalb von zwei Jahren wurde in Genua eine Autobahnbrücke neu gebaut. Wie das funktionierte und ob das mit der Talbrücke Rahmede auch geht.

Die Frage schwebt seit zwei Monaten über der gesamten Region Südwestfalen: Wie haben es die Verantwortlichen im italienischen Genua geschafft, die 2018 eingestürzte Autobahn-Brücke innerhalb von zwei Jahren wieder zu errichten? Schließlich muss die gesperrte Talbrücke Rahmede entlang der Autobahn 45 bei Lüdenscheid wegen Einsturzgefahr neu gebaut werden. Fünf Jahre wird das realistischer Weise dauern, sagt Elfriede Sauerwein-Braksiek, die Direktorin der Autobahn GmbH Westfalen. Wirtschaft und Politik fordern allerdings eine Beschleunigung des Prozesses, da er Unternehmen, Pendler und auch Anwohner über jedes Maß strapaziere.

Erfahrungsaustausch zwischen Genua und Lüdenscheid: Sonderbeauftragter wichtig

Wie das gehen soll, dazu gab es am Freitag eine hochrangig besetzte internationale Videoschalte. Mit dabei: Marco Bucci, Bürgermeister von Genua und ehemaliger Sonder-Beauftragter des Bauvorhabens. Der Einladung der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer (SIHK) folgten neben Landeswirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) u.a. auch Sauerwein-Braksiek und Gerhard Rühmkorf als Entsandter des Bundesverkehrsministeriums.

Gesperrt wegen Einsturzgefahr: Die Rahmedetalbrücke der A 45 bei Lüdenscheid.
Gesperrt wegen Einsturzgefahr: Die Rahmedetalbrücke der A 45 bei Lüdenscheid. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

„Sie sehen uns tief beeindruckt. Eine Beschleunigung ist möglich, auch unter Einhaltung der rechtlichen Gegebenheiten“, resümierte Ralf Stoffels, Präsident der SIHK in Hagen. Zentrale Wichtigkeit in dem gesamten Genua-Projekt habe laut Stoffels die Ernennung des Sonderbeauftragten Bucci gehabt. „Dass er eine maßgebliche Rolle bei der Beschleunigung des Prozesses gespielt hat, ist glaube ich allen Anwesenden klar geworden“, sagt Stoffels.

Drei Säulen des Erfolgs: Transparenz, Flexibilität und Kommunikation

Damit sei jemand installiert worden, „bei dem die Fäden zusammenliefen“ und der für drei Schlagworte des erfolgreichen Projektes gestanden habe: Kommunikation, Transparenz, Flexibilität.

Stichwort Transparenz: Nur durch die Beteiligung aller Interessenvertreter sei eine große Zustimmung für den maximal schnellen Neubau der Brücke möglich gewesen. Beispiel: 19 Messstellen holten an der Baustelle Informationen über die Luftqualität ein, zahlreiche Kameras wurden installiert, deren Bilder von jedermann stets abrufbar waren, damit sich jeder überzeugen konnte, was da wie vor sich geht.

Baustofflieferant mit Labor an der Baustelle

Stichwort Flexibilität: Viele Prozesse seien gleichzeitig abgewickelt worden, gibt Stoffels seine Erkenntnisse nach dem Gespräch wieder. Zum Beispiel seien die Verantwortlichen mit einer Vorplanung in die Umweltverträglichkeitsprüfunggegangen, „wohlweislich, dass dies nicht die endgültige Fassung“ sein werde, sondern dass sie immer wieder angepasst werden müsse. Aufwändig, aber zeitsparend, so das Urteil der SIHK. Weiteres Beispiel: Der Baustofflieferant hatte ein Labor an der Baustelle aufgestellt, um technische Fragen zum Baustoff schnellstmöglich beantworten zu können.

Stichwort Kommunikation: Bucci sei zentraler Ansprechpartner gewesen, an den sich Bürger, Unternehmen, Ministerien, Verwaltungen, Umwelt- und andere Interessenverbände hätten richten können. Er sei von Juristen und Ingenieuren umgeben gewesen, die ihn berieten. „Wichtig ist, dass alle an einem Strang ziehen und sich Fragen nicht in Verantwortlichkeiten verlieren“, schildert SIHK-Hauptgeschäftsführer Ralf Geruschkat.

SIHK rückt von forscher Forderung ab

Dass die SIHK dieses Anliegen ernst meint, ist auch der Tatsache zu entnehmen, dass sie von ihren ersten Forderungen abrückt. „Was in Italien möglich ist, muss auch in Deutschland möglich sein“, hatte die Kammer eine Realisierung von zwei Jahren gefordert.

„Das war sehr forsch und der Tatsache geschuldet, dass wir keinen Einblick ins Detail hatten. Wir wollen ein offener Gesprächspartner sein und nicht unangemessene Forderungen stellen“, sagte Stoffels. „Wir glauben, dass eine Verkürzung der Realisierungszeit möglich ist. Wie viel das sein wird, das müssen die Gespräche zeigen.“ Und ein Blick ins Detail: Denn inwieweit Planungs-, Umwelt- und Baurecht in Deutschland anderen Gesetzmäßigkeiten folgen, müssten genauere Prüfungen zeigen.