Kapstadt. Naturschutz statt nur Profit: Speisekarten südafrikanischer Safari-Lodges weisen den CO2-Fußabdruck von Gerichten aus, E-Autos starten zur Wildtierbeobachtung. Doch was bleibt, ist die lange Anreise.
Bei Safaris in Afrika geht es schon lange nicht mehr um die Jagd auf Großwild. Auch der Safari-Massentourismus, bei dem sich Dutzende Fahrzeuge um einen Leoparden drängeln, ist immer mehr verpönt. Reiseveranstalter sehen stattdessen einen anderen Trend - in Richtung „sanftem Tourismus“.
Wer Wildtiere aus nächster Nähe erleben möchte, will dies nicht mehr zu deren Schaden tun. Besser noch, wenn Safari-Unternehmen einen Teil ihrer Einnahmen in den Naturschutz zurückfließen lassen.
Dass Safari-Tourismus und Naturschutz Hand in Hand gehen, sollte eigentlich keine Überraschung sein - es dreht sich schließlich alles um die Natur. Ein gestiegenes Umweltbewusstsein, verbunden mit Flugscham, sind Kriterien, die mehr und mehr Reisende bei der Planung berücksichtigen.
Bescheren meine Ausgaben dem Veranstalter nur Profite? Oder geht ein Teil in den Naturschutz? Vor allem die jüngere Generation von Safarigästen stelle vor der Buchung viele Fragen und wähle Anbieter nach ökologischen Kriterien aus, sagt Julie Cheetham, die Geschäftsführerin von Weeva, einer Plattform, die Tourismusunternehmen im Bereich Nachhaltigkeit unterstützt.
Vorreiter Südafrika
Südafrika sei ein Vorreiter im Bereich Öko-Safaris, sagt Cheetham. Vor allem im Safari-Sektor beobachtet sie ein großes Umdenken. Viele Safari-Unternehmen wollen ihren Gästen ermöglichen, inmitten der Natur zu sein, ohne ihr zu schaden. Sie investieren in Umweltprojekte, ziehen in den Kampf gegen die Wilderei, ermöglichen den Ausgleich von CO2-Emissionen.
Eine Öko-Safari beginnt bereits mit einer möglichst nachhaltigen Unterkunft. Statt Zement- und Backsteinbauten im Kolonialstil liege der Fokus nun auf umweltfreundlicheren Safari-Lodges, die mit vor Ort vorhandenen Materialien gebaut sind, erklärt Cheetham.
So das neue „Tswalu Loapi Camp“ in der Kalahari im Norden Südafrikas: Es besteht hauptsächlich aus einheimischem Holz und Leinwand, steht auf Stelzen, die Gehwege sind erhöht. Darunter finden kleine Tiere und Reptilien Schatten. Zudem werde der Boden durch den Bau kaum beeinträchtigt, sagt Prince Ngomane, Leiter für Nachhaltigkeit bei der Tswalu-Stiftung.
Weder Einwegverpackungen noch Importe
Die weiteren Bemühungen: Das Camp wird mit Solarenergie betrieben, Regenwasser zum Duschen genutzt. Es gibt weder Plastikflaschen oder -müllbeutel, Einwegverpackungen noch Frischhaltefolie. Vom Restaurant: saisonale Küche mit, soweit möglich, lokalen Zutaten von lokalen Lieferanten.
Ähnliche Maßnahmen ergreift der Safari-Anbieter Singita, der Unterkünfte im berühmten Kruger-Nationalpark betreibt. Für die Lodges „Singita Lebombo“ und „Singita Sweni“ wurden nicht einmal Wasserleitungen im Boden verlegt, sie verlaufen geschickt versteckt unter ebenfalls erhöhten Gehwegen.
„Die Idee dahinter ist, dass man die Camps morgen abreißen könnte und wenig später nicht mehr weiß, dass dort mal etwas stand“, sagt Andrea Ferry, die Nachhaltigkeitskoordinatorin bei Singita. Internationale Importe von Baumaterial oder Möbeln - mit hoher Preisbelastung für Kohlenstoff - das gäbe es beim Anbieter Singita nicht mehr.
Ausgleich von individuellen CO2-Emissionen
Viele Anbieter von Öko-Safaris berechnen inzwischen den Energie- und Wasserverbrauch eines jeden Gasts - und investieren zum Ausgleich in Klimaschutzprojekte. Die Möglichkeiten reichen von Wiederaufforstung bis zum klimafreundlichen Ofen für verarmte Gemeinden.
Was aber immer bleibt, ist die lange Anreise: Immerhin erhalten Gäste zusätzlich das Angebot, die durch ihre Flüge entstandenen Klimagase zu kompensieren.
Die Effekte der neuen Nachhaltigkeit lassen teils aufhorchen: Tswalu, ein 114 000 Hektar großes Reservat - etwa so groß wie Berlin und Hamburg zusammen - hat sich zu einem kohlenstoff-positiven Schutzgebiet entwickelt. Es wird mehr kompensiert als emittiert.
Tswalu ist Teil der von dem deutschen Unternehmer Jochen Zeitz gegründeten Initiative „The Long Run“, ein Zusammenschluss dutzender Resorts, die sich aktiv der Nachhaltigkeit und dem Naturschutz verschrieben haben.
Das Reservat binde 13,5 Tonnen Kohlenstoff pro Jahr, sagt Nachhaltigkeitsleiter Ngomane. „Davon verbrauchen wir nur etwa ein Viertel. Der Rest steht als Kohlenstoffgutschriften zur Verfügung.“
So kommt es, dass auch andere Eco-Anbieter, darunter Singita, Gästen einen CO2-neutralen Aufenthalt versprechen. Oder sie dokumentieren, wie detailreich sie Aspekte des Aufenthalts nach Kriterien der Nachhaltigkeit abklopfen: So ist auf den Menüs in einigen Öko-Lodges sogar der CO2-Fußabdruck der einzelnen Gerichte aufgeführt, nennt Cheetham ein Beispiel.
Mit E-Autos leise in die Savanne
Selbst in der Savanne ist E-Mobilität ein Thema, das vorangetrieben wird. In der solarbetrieben Luxus-Lodge „Cheetah Plains“ im südafrikanischen Kruger-Park setzt man auf E-Geländewagen, die Sonnenenergie tanken. Marketingmanager Peter Dros betont, wie viele Abgase doch eingespart würden. Immerhin lege jedes Safarifahrzeug in dem Privatreservat rund 32 000 Kilometer pro Jahr zurück.
Das zusätzliche Plus: Da E-Autos leiser sind, hörten Gäste die Laute von Vögeln und Wildtieren besser, sagt Dros. Wie Tswalu kann auch „Cheetah Plains“ eine negative CO2-Bilanz aufweisen. Wer hier drei Nächte verbringt, gleicht automatisch seinen internationalen Flug aus, hat Dros ausgerechnet.
Zahlreiche weitere Lodges experimentieren mit E-Geländewagen, doch ganz unproblematisch ist der E-Antrieb offenbar nicht. Auf Safari werden meist große Strecken zurückgelegt - zu große für manche Batterie.
Bislang seien Aufladestationen inmitten der Savanne jedoch kaum eine Option, sagt Cheetham. Auch Staub und Sand machten den Elektromotoren zu schaffen. Tswalu hat daher zunächst in vier kleinere herkömmliche Safari-Fahrzeuge investiert, die immerhin weniger Sprit verbrauchen.
Fahrrad- oder Pferdesattel
Andere Optionen: Man geht zu Fuß los, schwingt sich auf den Pferderücken oder unternimmt eine Safari per Fahrrad - alles immer mehr nachgefragt, sagt Weeva-Geschäftsführerin Cheetham. Statt geschützt von der Karosserie eines Autos, müssen sich Gäste dabei umso mehr auf die Expertise eines erfahrenen Rangers verlassen, der für den Notfall ein geladenes Gewehr bei sich trägt.
Im Gegenzug sind sie Teil der Natur, nicht nur Beobachter. „Eine Wandersafari gibt eine ganz andere Perspektive auf die Wildnis. Man ist plötzlich mittendrin“, findet Stiftungsleiter Ngomane.
Wie er tickte die Branche nicht immer. Für Jahrzehnte standen Profite im Vordergrund. Anbieter machten sich die Natur zunutze, ohne an die Langzeitfolgen zu denken. Triebfeder für mehr Nachhaltigkeit vor Ort sind aber auch die Touristen. Für viele Reisende sei das Klimasiegel entscheidend bei der Buchung, sagt Cheetham.
So reinvestiert die Lodge „Londolozi“ im nordöstlichen Reservat Sabi Sands einen festen Prozentsatz der jährlichen Einnahmen in den Naturschutz. Mit jeder Nacht, die ein Gast in „Londolozi“ verbringt, zahlt er indirekt für den Schutz von sechs Nashörnern, hilft, acht Kinder zur Schule zu schicken und einen Erwachsenen auszubilden, wirbt die Website.
100 Prozent der Gewinne für den Naturschutz
Und Tswalu gilt als eines der Musterbeispiele für Ökosafaris. Im Jahr 2021 gaben die Besitzer des Reservats 86 Prozent ihrer Gesamtinvestitionen für Naturschutz, Rehabilitation von Lebensräumen und Bekämpfung von Wilderei aus. Auch beheimatet Tswalu ein Klimawandelforschungsprojekt, an dem Wissenschaftler von Universitäten quer durch Südafrika teilnehmen.
Die „Lepogo Lodge“ in Südafrikas Limpopo-Provinz geht noch einen Schritt weiter. Es handelt sich um ein gemeinnütziges Unternehmen, das 100 Prozent der Gewinne in den Naturschutz zurückfließen lässt, heißt es.
Benannt nach dem Sotho-Wort für Gepard, konzentriert sich Lepogo dabei auf die Wiederansiedlung und Erhaltung von Geparden. Zudem betreibt die Lodge Artenschutzprojekte von bedrohten Pferdeantilopen, Breitmaul- und Spitzmaulnashörnern sowie Kaffernbüffeln.
Was selbstverständlich sein sollte, bringt Nachhaltigkeitskoordinatorin Ferry vom Anbieter Singita noch einmal auf den Punkt: „Da es sich bei einer Safari im Wesentlichen um ein Naturprodukt handelt, ist es für uns absolut sinnvoll, Vorreiter im Naturschutz zu sein.“
>>> Safari-Land Südafrika
- Klima und Reisezeit: Die Hauptsaison für Safaris fällt in die Sommermonate Oktober bis April. Doch auch die Wintermonate Mai bis September eignen sich aufgrund der Trockenzeit für gute Tierbeobachtung.
- Anreise: Mit dem Flugzeug von Deutschland zum Drehkreuz Johannesburg; von dort geht es entweder per Mietwagen oder Inlandsflug nach Mbombela (Tor zum Kruger-Park) oder direkt zu den Landebahnen innerhalb der Reservate.
- Einreise: Ein dreimonatiges Touristenvisum für Südafrika wird bei der Einreise kostenlos ausgestellt.
- Übernachtung: Der Aufenthalt in einer Öko-Luxussafari-Lodge kostet in Südafrika zwischen 300 Euro und 1400 Euro pro Nacht, inklusive aller Mahlzeiten und Safariaktivitäten.
- Gesundheit: Insbesondere während der Regenzeit von November bis März besteht in einigen Nationalparks erhöhtes Malaria-Risiko. Entsprechende Prophylaxe ist ratsam.
- Geld: In Südafrika gilt die Währung Rand. 1 Euro entspricht gut 20 Rand (Stand: Ende September 2023).
- Weitere Infos: southafrica.net
(dpa)