Siegen. . Elektrische Mobilität wird immer wichtiger, immer mehr Menschen in Siegen nutzen Fahrräder mit Unterstützungsantrieb — Betriebe und Privatleute.

Die Mobilitätskultur in der Stadt verändere sich, sagt Dominik Eichbaum, Wirtschaftsförderung der Stadt Siegen. Zunehmend würden Unternehmen eine aktive Mobilität ihrer Mitarbeiter unterstützen und Leasingmodelle für E-Fahrräder anbieten, auch für Lasten-E-Bikes. „Als grüner Dienstwagen sozusagen“, sagt Eichbaum. „Es geht nicht darum, den Autos Platz wegzunehmen. Aber viele Menschen bewegen sich heute anders“, sagt Eichbaum. So wie Laura Spelz: Sie fährt Lastenrad mit Trittkraftunterstützung statt Auto.

Die Nutzerin

Die Familie Spelz ist zu fünft, schaffte sich nach der Geburt des dritten Kindes ein Familienauto an. Geld für einen zweiten, kleineren Wagen wollten die Spelz’ nicht gern ausgeben. Sie stießen im Internet zufällig auf das Lasten-E-Bike und überlegten lange, ob das Gefährt ein Auto wirklich ersetzen kann. Schließlich kauften sie eines. Laura Spelz wohnt am Haardter Berg, arbeitet in der Oberstadt, legt mit dem Lastenrad die Strecke mehrmals pro Woche zurück, ebenfalls den Weg zum Supermarkt (mit Einkäufen) oder zur Kita (mit Kindern).

Gut: Kosten. Das Lastenrad rentiert sich in recht kurzer Zeit. Es kostet zwar einen vierstelligen Betrag – dafür werden weder Versicherung, Steuer oder Parkgebühren fällig. Auch ein Lasten-E-Bike, das viel im Alltag benutzt wird, muss regelmäßig gewartet werden, aber kein Vergleich zu einem Auto. Tanken auch nicht; der Akku hält eine Woche.

Gut: Anstrengung. Die Berge sind steil und das Rad ist schwer, erst Recht mit Ladung. „Aber es ist okay“, findet Laura Spelz, die Trittkraftunterstützung lasse sich stufenlos zuschalten. Es sei „kein Spaziergang, aber auch nicht so, dass ich außer Atem oder ins Schwitzen gerate.“ Sie finde sich eher unsportlich – also „gut fürs Gewissen“.

Gut: Sicherheit. Durch die drei Räder und das Gewicht fährt das Lastenrad stabil, „anfangs etwas ungewohnt, weil man sich nicht in die Kurve lehnen kann“, sagt Spelz.

Gut: Parken. Überhaupt kein Problem. Spelz arbeitet im Rathaus Oberstadt, Fahrradständer gibt es hier genug. Direkt vor der Tür.

Okay: Platz. „Wir brauchen gerade extrem viele Dinge – zwei Kinder sind noch sehr klein“, sagt Spelz. So viel wie in ein Auto passt in das Lastenrad nicht – mit einem Einkauf ist die Ladefläche voll. „Mein Großer ist auch schon zu schwer“, sagt sie – und der Siebenjährige kann schließlich selbst Fahrrad fahren.

Okay: Wetter. „Im Winter werde ich wohl eher Bus fahren“, meint Spelz. Zwar ist das Lastenrad mit dickeren, griffigeren Reifen ausgerüstet – „solange es nicht glatt wird, geht es vermutlich“, sagt sie. Über der Ladefläche ist ein stabiler Rahmen montiert, auf den eine wasserdichte Plane gespannt ist. Laura Spelz hat ihre Regenkleidung in diesem Jahr noch nicht wirklich gebraucht, sie überlegt an einem Dach aus Zeltstoff über dem Fahrer – ähnlich wie bei den Polizei-Motorrollern.

Nicht so gut: Infrastruktur. „Ich glaube, die Autofahrer hassen mich...“, sagt Spelz. Denn trotz Trittkraftunterstützung ist sie langsamer als „normale“ E-Bikes, dafür aber breiter und kann schlechter überholt werden. „Ich versuche, Seitenstraßen zu fahren“, sagt sie.

  • FAZIT: Noch nicht abschließend möglich, sagt Laura Spelz: Während des trockenen Sommers hat sie mehrheitlich positive Erfahrungen gemacht. Wie sich das Lasten-E-Bike im Winter macht, wird sich zeigen. „Ich bin zufrieden“, sagt Laura Spelz, „es wäre schön, wenn es im Stadtbild noch mehr Lasten-E-Bikes gäbe.“

Die Stadt

Kinder als Passagiere in Lasten-E-Bikes wie bei Laura Spelz erlebten diese Form des Verkehrs als Normalität – „die Fahrradfahrer von morgen sind die Kinder von heute“, sagt Wirtschaftsförderer Dominik Eichbaum. Auch für die Logistik in den Innenstädten seien die Dreiräder mit Trittkraftunterstützung ein „Riesenthema“: Es sei angesichts des stetig wachsenden Onlinehandels absehbar, dass die Zahl der Zustellfahrzeuge noch weiter wachsen werde, für auto­freie Zonen oder Bereiche mit Umweltauflagen müssten Lösungen her. In Siegen bietet die Spedition Gieseler aus Freudenberg eine Lösung an: Ihre Mitarbeiter liefern Pakete mit Lasten-E-Bikes aus. Zunächst im Siegener Zentrum unterwegs, gibt es Zustellstützpunkte und Kuriere mit Lastendreirad nach einer Testphase nun auch in Weidenau, Geisweid und Kaan-Marienborn.

Das Projekt Logistik  in der Innenstadt

Die Stadt Siegen stellt der Spedition Gieseler Anhängerstellplätze und Räumlichkeiten als Paketdepots zur Verfügung. Die Fahrer beladen ihre Lasten-E-Bikes dort mit Paketen und liefern sie aus.

Probleme machen dabei bisweilen die stark schwankenden Gewichtsunterschiede der Pakete, das erschwert die Planbarkeit der einzelnen Touren. Denn im Gegensatz zu Autos und trotz Trittkraftunterstützung können die Fahrzeuge nicht beliebig schwer beladen werden, um für Fahrer händelbar zu bleiben – gerade bei Siegener Topografie.

Es brauche einen Diskurs in der Stadtgesellschaft und in der Politik darüber, wie sich die Mobilität verändere und welche Infrastruktur dafür nötig ist, sagt Eichbaum: „Bei den Unternehmen wird das Thema Radwege immer wichtiger.“ Passend zur Mobilitätsplattform der Stadt im Industriegebiet Leimbachtal („Echt!Elektrisch“) soll ein Radschnellweg vom Bahnhof dorthin führen (wir berichteten), damit Mitarbeiter der dort ansässigen Firmen sicher zur Arbeit kommen können. „Eine Stadt muss sich überlegen, wie sie die Sicherheit ihrer Bürger gewährleisten kann“, sagt Eichbaum. Denn beim Radwegenetz ist zumindest Luft nach oben.

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