Meschede. . Kein typischer Männerberuf, aber: Friedhelm Baumhöfer ist mit Leidenschaft Grundschullehrer. Den Begriff „Sitzenbleiben“ gibt es bei ihm nicht.

Friedhelm Baumhöfer (63) interessierte sich schon als Jugendlicher für einen Beruf im pädagogischen Bereich. Ursprünglich hätte er sogar gern in einem Kindergarten gearbeitet. Doch ein Mann als Erzieher in einer Kita? Was heute normal ist, war in den Jahren, als Baumhöfer seine Berufswahl treffen musste, undenkbar. So entschied er sich als junger Mann stattdessen dafür, Lehramt zu studieren - genauer gesagt Grundschullehramt. Als einer der wenigen Männer auf dem Gebiet, jedoch nicht weniger leidenschaftlich bei der Arbeit, war er 13 Jahre als Grundschullehrer an größeren Schulen tätig, bevor es ihn an die Luzia-Grundschule nach Berge zog. Hier erlebte er die demografischen Auswirkungen mit Schulschließungen in Nachbarorten hautnah und ist froh, dass der Schulstandort im Wennetal sicher ist.

Heute betreut der Rektor, der nach dem offiziellen Teil einer Dienstbesprechung mit der Schulaufsicht gerne mal mit seiner Gitarre das Lied vom „armen alten Dorfschulmeisterlein“ anstimmt, in seiner überschaubaren Dorfschule 135 Kinder. Er kennt sie alle mit Namen. Nach 27 Jahren Schulleitung hat der „Schulmeister“ viele Entwicklungen in der Bildung miterlebt und kann Prognosen für die Zukunft geben. Er hat auch viele Wünsche.

Ganztagsbetreuung

Die Schule hat sich seit den jungen Tagen des Rektors grundlegend verändert. Gesellschaft und Bildungssystem befinden sich im stetigen Wandel. Sicher gab es früher auch gute Pädagogen, aber Baumhöfer erinnert sich auch, dass es durchaus üblich war, dass ein Schüler, der nicht eine erwartete Leistung erbrachte, als unfähig abgestempelt wurde. Harte Erziehungsmaßnahmen aus der eigenen Schulzeit fallen ihm ein, wenn er vom fliegenden Schlüsselbund des Hauptlehrers erzählt oder die Geschichte von dem Kind, das eine Stunde lang mit dem Gesicht zur Wand in der Klasse verbringen musste, weil es unangenehm bei der Fingernagelkontrolle aufgefallen war. Heute undenkbar.

„Der Anspruch an die Schule, mit Betreuungsangeboten und hochqualifizierten Lehrkräften, die gleichzeitig Pädagogen sind, ist stetig gestiegen“, erzählt Baumhöfer. „Das wird auch zukünftig so sein.“ Jedoch seien nicht alle Entwicklungen günstig. So berichtet er zum Beispiel, dass Kinder, die zur Offenen Ganztagsbetreuung von 8 bis 16 Uhr angemeldet sind, jeden Tag verpflichtend erscheinen müssen. Denn alle Plätze in der Betreuung werden nur so vom Land subventioniert. Viele Eltern benötigen aber lediglich für zwei oder drei Tage in der Woche eine externe Betreuung für die Kinder, da Freizeitangebote oder familiäre Betreuungsmöglichkeiten, wie die Großeltern, sehr sinnvoll sein könnten und im Familien-Wochenplan vorgesehen sind. „Deshalb meldeten einige Eltern ihre Kinder bereits wieder ab. Das ist schade. Die Ganztagsbetreuung sollte flexibler gehandhabt werden. Denn aktuell ist diese Regelung nicht für alle eine Alternative.“

Schuleingangsphase

An der Luziaschule hat sich für Baumhöfer und sein Team seit 14 Jahren ein zukunftsweisendes System etabliert: Seitdem die Schulkindergärten in NRW geschlossen wurden, müssen alle Kinder mit sechs Jahren in die Grundschule - ob schulreif oder nicht. Das geänderte Schulgesetz stellt Schulen frei, die Schuleingangsphase als reine Jahrgangsklassen oder in jahrgangsgemischten Lerngruppen zu organisieren. „Wir machen sehr gute Erfahrungen mit flexiblen Gruppen. Es gibt bei uns keine ersten und zweiten Klassen mehr“, erklärt er. „Der erste und zweite Jahrgang werden zusammengefasst. Kinder, die mehr Zeit für ihre Entwicklung in der Grundschule benötigen, verbleiben ein drittes Jahr in dieser Schuleingangsphase. So gibt es kein Wiederholen, keinen Klassenwechsel. Den Begriff „Sitzenbleiben“ gibt es bei uns nicht!“ erklärt Baumhöfer. „Es bekommt jeder die Zeit, die er braucht. Die Luziaschule als „Schule des gemeinsamen Lernens“, in der in allen Klassen auch Kinder mit unterschiedlichem Förderbedarf inklusiv unterrichtet werden, macht mit der jahrgangsübergreifenden Organisation des Schulanfangs sehr gute Erfahrungen.“

Lehrermangel

Zum Lehrermangel sagt der erfahrene Schulleiter: „Bei uns in Meschede und Umgebung gibt es eine vergleichsweise gute Besetzung. Aber auch hier im ländlichen Raum wächst deutlich der Bedarf an zusätzlichen Sozialpädagogen und individuellen Schulbegleitungen bzw. Integrationskräften. Auch wir kennen das Problem, wenn schnell Ersatz gefunden werden muss.“ Denn unterqualifizierte Kräfte oder „Schülerverdichtung“, bei der zwei Klassen zusammen unterrichtet werden, gehen auf Kosten der Qualität des Unterrichts.

Zukünftig Fachfremde einzustellen, wie das bereits in Großstädten der Fall ist, sei für ihn nur eine Notlösung. Falls ein solcher Notfall eintreten sollte, legt Baumhöfer viel Wert auf pädagogische Vorkenntnisse und Motivation der Bewerber. „Eine Klasse zu unterrichten, kann man nicht wie in einem Schnellkochkurs lernen“, mahnt er. „Die Berufung muss stimmen und das Wissen auch.“ Der Großvater von zwei Enkelkindern berichtet, es fehle oft das qualifizierte Fachpersonal, um Kinder mit besonderen Bedürfnissen zu betreuen. Aus diesem Grund gäbe es in Berge auch noch sehr viel Potenzial, um diesen Bereich weiter auszubauen. Die Lehrer sind ebenfalls bereit dafür. Bisher sind aber weder das Personal noch die Räumlichkeiten der Grundschule ausreichend für eine Inklusionsschule.

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