Balve. . Kristina Bröring-Sprehe gehört zum großen Starterfeld beim Balve Optimum. Diese Zahlen zeigen, in welche Dimension das Turnier vorgestoßen ist.
Es sind nur zwei Fotos, das eine ist ein leicht vergilbter Abzug in schwarz-weiß, das andere gibt es lediglich in knallbunt und digitaler Form, aber der Blick auf sie verrät alles. Vom kleinen Dorfturnier in den Allhoff’schen Wiesen zum überregionalen Event mit Deutscher Meisterschaft und steigendem Promi-Faktor – so entwickelte sich das Balve Optimum in den vergangenen sieben Jahrzehnten. Vom 7. bis 10. Juni feiert das Reitturnier im Schatten von Schloss Wocklum seinen 70. Geburtstag.
Die beiden Bilder, welche die enorme Entwicklung in der Vergangenheit sehr einprägsam darlegen, zeigen die Anreise der Pferde zum Turnier damals und heute. Im offenen Viehtransporter, der – fortschrittlich – von einem Güldner-Traktor statt von zwei Pferden gezogen wird, reist das Ross vermutlich von seiner Unterkunft auf einem der umliegenden Bauernhöfe auf dem Bild aus den 1940er oder 1950er Jahren an.
Auch ohne Tribünen glücklich
Das aktuelle zeigt, dass die teils Millionen Euro teuren Sportpferde von heute stattdessen in modernen, klimatisierten Transportern nach Balve chauffiert werden. Diese kosten mehrere 100 000 Euro, ihre Luftfederung lässt das Kopfsteinpflaster der Wocklumer Allee fast wie eine aalglatt asphaltierte Straße wirken und im Inneren verfügen sie neben zwei, drei Pferdeboxen auch über ein Wohnabteil für den Reiter.
„Heutiger Luxus war 1948 nicht vorstellbar“, sagt auch Rosalie Freifrau von Landsberg-Velen, die seit 2012 als Turnierchefin fungiert. „Die Zuschauer fanden in LKW und Anhängern Platz“, ergänzte sie. Doch: „Trotzdem genossen die Menschen die Turniere.“
Wir präsentieren Zahlen, die damals unvorstellbar waren:
20000 Zuschauer genießen heute an vier Tagen feinsten Sport. Damals pilgerten rund 5000 ins Orletal. Die große Optimum-Aussteller-Meile, der Familientag, das Kinderdorf, die „Welcome-Party“, die „Out of sight Riderparty” und die „Optimum-Night“ sorgen mittlerweile für beste Unterhaltung – am Tag sowie auch in der Nacht.
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350 Reiter melden im Vorfeld für die Prüfungen von der Führzügelklasse bis zum Championat von Balve um den Dieter Graf Landsberg-Velen-Gedächtnispreis oder die Deutschen Meisterschaften im Springen und in der Dressur.
480 Pferde sind beim Balve Optimum im Einsatz. Das sind nicht nur Stars wie Desperados von Kristina Bröring-Sprehe oder Weihegold von Isabell Werth in der Dressur, sondern auch Ponys für den Nachwuchs.
470 Boxen geben den Vierbeinern während des Optimums eine Heimat. 320 werden in zehn Stallzelten und 150 in der Reithalle aufgebaut. „Es fallen rund 40 000 Kilogramm an Pferdemist an“, sagt Matthias Camminady, zweiter Vorsitzender des RV Balve. Gut sieben Tonnen Stroh und knapp zwei Tonnen Heu stehen bereit.
300 Helfer sind während der vier Turniertage gleichzeitig im Einsatz. Allerdings packen bereits beim fünftägigen Aufbau unzählige Freiwillige mit an, damit circa 1 450 Pflanzen und Blumen sowie 1000 Quadratmeter Rollrasen, 130 Pagoden und drei große Zelte für den natürlich-schönen Balve-Look sorgen.
5 Mitarbeiter sind während des Turniers für die Bodenpflege im Einsatz. Bei trockenem Wetter werden circa 250 000 Liter Wasser auf die Plätze gefahren.
Nach der Schlammwüste kam der Allwetterplatz
Bis in die 1990er Jahre bereitete der Rasenplatz im Springstadion bei schlechtem Wetter immer wieder Probleme. „Bei unserem ländlichen Turnier 1994 ging gar nichts mehr, der Platz war eine Schlammwüste“, erinnert sich Matthias Camminady, 2. Vorsitzender des Reitervereins Balve.
1995 bauten die Balver den Rasenplatz zu einem Allwetter-Sandplatz um – der rechtzeitig zur deutschen Jugendmeisterschaft fertig war.
Ganz im Zeichen hoher Investitionen standen auch die frühen 2000er Jahre. Die Tribünen wurden in den heutigen Zustand ausgebaut, der VIP-Bereich wurde erneut erweitert – etwa 800 Menüs werden nun täglich an die Stargäste ausgegeben – und die Ausstellermeile gepflastert.
1,3 Million Euro beträgt das Budget, mit dem die Turniergemeinschaft um Chefin Rosalie Freifrau von Landsberg-Velen und Projektmanagerin Ann-Christin Spiller operiert. Alleine für die Infrastruktur, Verkabelung, Stromaggregate, Tontechnik, Zeitmessung, EDV usw. werden jedes Jahr etwa 70 000 Euro ausgegeben. „Insgesamt 500 000 Euro verbleiben in der Region zum Beispiel für Dienstleistungen, Investitionen oder Lohnkosten“, erklärt Matthias Camminady. Fast alle Hotelzimmer im Umkreis seien für das Balve Optimum ausgebucht, „hier kann man wohl auch mit Einnahmen der Hotels von weit über 100 000 Euro rechnen“.
2020– so lange wird die Deutsche Meisterschaft im Springreiten und in der Dressur garantiert in Balve ausgetragen. Die Gespräche über eine Verlängerung des Vertrages mit der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) stehen an. Von Seiten der FN wurde Interesse an einer Fortführung signalisiert. „Es ist für uns aber auch eine Kostenfrage“, sagt von Landsberg-Velen, zahle die Turniergemeinschaft doch eine Gebühr an die FN. Erstmalig gab es 1984 eine DM in Balve.
1948wurde das erste Wocklumer Turnier ausgetragen, damals noch ohne feste Tribünen, ganz ohne Glanz und Glamour – und die Pferde reisten höchsten im Anhänger-Cabrio an statt im Transporter-Wohnmobil.