Brachbach. . Wenn ein Skeleton-Rennen zum Großereignis im Siegerland wird. So lief das Public Viewing in Brachbach, der Heimat von Jacqueline Lölling.
Irgendeiner dieser unzähligen sachten, fast liebevollen Schulterklopfer war der zu viel für Ute Lölling. Sie hatte die Bärenschenke in Brachbach eigentlich ohne allzu großen Aufsehens um ihre Person verlassen wollen, hier ein kurzes Gespräch, da ein freundlicher Händedruck – und raus. Das war der Plan, der nicht aufging. Der nicht aufgehen konnte.
Denn als alle Rolladen wieder hochgezogen wurden in der einzigen Gaststätte des Ortes, war Ute Lölling nicht mehr nur die Oma von Jacka – sie war eine der Omas von Jacqueline Lölling, die bei den Olympischen Spielen soeben die Silbermedaille im Skeleton gewonnen hatte. Der Stolz auf die Enkelin und die vielen Glückwünsche auf dem Weg nach draußen – irgendwann musste sich Ute Lölling doch die eine oder andere Träne aus den Augenwinkeln wischen.
Aus dem Gesicht wischen musste sich auch Matthias Keuchel etwas. Aber es waren mehr Schweißtropfen denn Freudentränen. Obwohl der Cheftrompeter des Jacqueline-Lölling-Fanklubs ebenfalls mehr als glückselig war. „Wir sind unsagbar stolz und freuen uns über die Silbermedaille bei den Olympischen Spielen“, sagte er und ergänzte: „Ich bin auch unfassbar glücklich darüber, Teil dieser Fankulisse zu sein.“
Oma Ute ein heimlicher Star
Denn einmal mehr beeindruckten Fans, Familie, Freunde und Bekannte der Skeleton-Pilotin, die für die RSG Hochsauerland startet und die in deren Heimatort wirklich alle nur Jacka nennen, mit ihrer leidenschaftlichen Unterstützung für die 23-Jährige. Am Sportplatz in Brachbach trafen sich Jacka-Fans zum Public Viewing, „der Kulturverein macht auch irgendwo etwas“, sagte Matthias Keuchel – aber das Zentrum des Jacka-Wahnsinns war die Bärenschenke.
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„Früher war das hier Jackas Wohnzimmer“, erzählte Wirt Alex Haupt mit einem Augenzwinkern beim Blick in den Saal mit der vertäfelten Decke und spielte damit auf das Leben der Siegerländerin ohne Leistungssport an. Musikverein Lyra, Gardetanz-Gruppe – Jacqueline Lölling gehörte überall dazu. Und deshalb strömten die Brachbacher in Scharen in die Bärenschenke, um ihren Star bei den entscheidenden zwei Läufen in der Ferne zu unterstützen.
Deutschland-Schals und -Mützen gehörten fast zur Anzugsordnung. Kleine Wimpelketten und Fähnchen in Schwarz-Rot-Gold schmückten die Gaststätte, deren Rolladen am hellichten Tag herunter gelassen waren und in deren Inneren nur kleine Lampen unter der Decke Licht spendeten, damit Löllings Läufe sowie die der Konkurrenz auf den beiden Leinwänden optimal zu sehen waren.
Der Jubel kennt keine Grenzen mehr
Enthusiasmus vor dem dritten Lauf folgte Ernüchterung im Anschluss daran. Jacka war von Rang eins auf Platz drei abgerutscht. „Aber noch ist alles drin“, sagte Keuchel. An Brachbach sollte es nicht liegen. Deshalb stimmten sich die 200 Fans mit dem auf „Jacka, Jacka, Jacka“ umgedichteten Helene-Fischer-Song Atemlos ein, tröteten, litten und jubelten mit, als Lölling im vierten und letzten Lauf eine starke Leistung zeigte und sich die Medaille sicherte.
Als Janine Flock patzte, die Führung an Lizzy Yarnold verlor und Lölling auf den Silberrang rutschte, kannte der Jubel keine Grenzen mehr. Bei den meisten. Oma Ute jubelte stiller – und war plötzlich doch ein heimlicher Star.