Hagen.. Prof. Peter Bialobrzeski ist mit zehn Studierenden der Bremer Hochschule für Künste mit der Kamera in Südwestfalen auf der Suche nach neuen Ansichten. Warum, das verrät er im Interview.
Sie schwärmen aus. Seit Montag sind zehn Studierende der Hochschule für Künste in Bremen in der Region mit der Kamera unterwegs. Ihr Professor und Deutschlands erfolgreichster Fotograf, Peter Bialobrzeski, will mit ihnen den Strukturwandel in Südwestfalen aus der Sicht der anderen einfangen.
Gefragt sind ungewöhnliche Sichtweisen. Mit diesem Projekt findet die Zukunftswerkstatt der WESTFALENPOST ihre Fortsetzung. Bialobrzeski hat zweimal den World Press Photo Award (2003 und 2010) gewonnen. Im Gespräch äußert sich der 55-Jährige über das Vorhaben.
Ist das nicht ungewöhnlich, dass sich eine Tageszeitung auf so ein Projekt einlässt?
Peter Bialobrzeski: Ungewöhnlich, mutig und ausgesprochen erfrischend.
Wie meinen Sie das?
Der lokale und regionale Journalismus reagiert in der Regel auf Termine. Als Volontär bei der Wolfsburger Allgemeinen Zeitung habe ich das in den 1980er Jahren selbst erfahren. Jede andere Idee wird im Keim erstickt. Nur zu reagieren ist langweilig und ermüdend. Für alle. Für Leser, für Fotografen, für Redakteure.
Deshalb haben Sie zugesagt?
Ja. Hier bietet sich die einmalige Chance, sich direkt in der Praxis mit einer Tageszeitung zu vernetzen, neue Anregungen zu liefern.
Ohne Vorbehalte?
Warum sollten wir sie haben? Wir sind offen. Nichts wird schön geredet, nichts wird schlecht gemacht. Eine gute Ausgangsposition. Wir verteilen uns auf Arnsberg, Siegen, Olpe und Hagen. Ziel ist es, das Wesen der Region, das Wesen der Städte und der Landschaft im Bild festzuhalten.
Also keine Postkartenidylle?
Nein. Wir sind mit offenen Augen unterwegs, ohne Scheuklappen. Nur so hat das Projekt einen Sinn.
Wo fotografieren Sie?
In Hagen. Ich bin zum ersten Mal in der Stadt.
Ihr erster Eindruck?
Der Wechsel der Baustile, vom Jugendstil bis zum sogenannten Brutalismus, ist offenkundig. Für einen Fotografen keine schlechte Voraussetzung.
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Hagen ist anders als Shanghai, Hongkong oder Bangkok. Wie erschließen Sie sich eine Stadt?
Geschwollen gesagt, ich stelle visuelle Recherchereisen an und bewege mich in konzentrischen Kreisen fort. Kurz gesagt: zu Fuß. So lerne ich meine Umgebung am besten kennen. Ganz gleich, wo ich mich auf der Welt bewege.
In Wolfsburg sind jüngst Ihre Bilder der Stadt heftig kritisiert worden. Ein Problem für Sie?
Nein. Ich liefere ja die Ansicht von dem, was Stadtplaner angerichtet haben. Ich bin nicht der Verursacher einer seelenlosen und menschenfeindlichen Architektur.
Kickoff für WP-Fotoprojekt
Professor wird mit seiner Fotokamera durch Hagen ziehen
Haben Sie Angst vor ähnlich heftigen Reaktionen in Hagen?
Angst habe ich nur, wenn ich beim Motorradfahren hinten drauf sitze. Ich freue mich über die Auseinandersetzung mit Hagen. Ich hoffe auf fruchtbare Diskussionen. Sie sind für alle eine Bereicherung. Für die Betrachter der Aufnahmen und für die Fotografen. Ohne diese Hoffnung wäre ich sicherlich nicht hier.
Die WESTFALENPOST beschreibt sich auf der Titelseite mit „Stimme der Heimat - Echo der Welt“. Sie sind viel in der Welt unterwegs. Was ist für sie Heimat?
Für mich ist Heimat das, was mich in meiner Kindheit und Jugend bis heute geprägt hat. Sei es ein Geruch, eine besondere Begegnung, eine bestimmte Architektur. Und bei mir war das in meinen ersten 25 Jahren eben Wolfsburg. Jetzt lebe ich in Hamburg.
Haben Sie in all den Jahren eine eigene Fotosprache entwickelt?
Ja, das ist wichtig. Wenn ich an die Bilder meiner ersten China-Reise denke, waren das eben Bilder. Wie man so auf Reisen fotografiert. Damals gut für einen Dia-Abend. Mehr nicht. Heute will ich nicht an der Oberfläche bleiben. Ich habe einen Standpunkt und halte in aller Nüchternheit das fest, was sich vor meinen Augen abspielt.
Hagen, Sauerland und das Siegerland liefern dazu die Motive?
Davon gehe ich aus. Mit unseren Aufnahmen zum Strukturwandel in der Region wollen wir die Debatte über den Wandel in der Zukunft befeuern.
Fotogalerie vom Kickoff in Hagen: wp.de/fotoprojekt