Bayreuth. Die Tristan-Inszenierung von Katharina Wagner begeistert das Publikum bei den Bayreuther Festspielen. Abgesehen von Einzelfällen jedenfalls.

Nur eine Handvoll Leuchtsterne aus Plastik haben Tristan und Isolde, um die heißeste Liebesszene der Musikgeschichte zu illuminieren. Katharina Wagner inszeniert Richard Wagners schönste Oper auf dem Grünen Hügel konsequent als Nachtstück. Zusammen mit dem überragenden Dirigat von Christian Thielemann entsteht so eine Geschichte, die ebenso zart wie besessen und ebenso verstörend wie grausam ist. Ein einsamer Buhrufer begreift nach Isoldes „mild und leise“ nicht, dass die Oper noch weitergeht. Dieser Gralshüter von Wagners Werk wird vom Publikum schlicht ausgelacht. Am Ende steht rauschender Beifall für die Solisten, den Dirigenten und die Regisseurin; die Buh-Rufe, die auf die Festspielchefin zielen, gehen unter.

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Es sind Angsträume, in die Katharina Wagner und ihr Bühnenbildnerteam Frank Philipp Schlößmann und Matthias Lippert den „Tristan“ stellen. Im ersten Akt verirren sich die irische Prinzessin und der Brautwerber von König Marke in einem labyrinthischen System von Treppen, die unerwartet abknicken und nirgendwo hinführen. Brangäne und Kurwenal sind eher Aufpasser denn Diener, sie versuchen das Paar, das keines sein darf, am Zusammenkommen zu hindern.

Fliegende Isolden in der Fieberphantasie

Der zweite Akt führt direkt in den Folterkeller von König Marke. Und dem verwundeten Tristan bleibt am. Schluss nur noch die schwarze, leere Bühne, bevölkert von fliegenden Isolden in seiner Fieberphantasie.

Petra Lang ist als Isolde eine echte Hexenprinzessin, die weiß, was sie will und auch den Preis dafür kennt. Die Mezzosopranistin ersingt sich ihre Liebe mit kupferglühendem Timbre und schafft es, das „mild und leise“ ganz am Ende noch im Pianissimo zu anzusetzen. Das traut sich kaum eine Isolde und ist ein unglaublich bewegender Moment. Tenor Stephen Gould hat die Kraft und die Ausdauer, um diese gefürchtete Langstrecken-Partie nicht nur durchzustehen, sondern auch immer wieder feine lyrische Linien aufblitzen zu lassen. Christa Mayer verfügt als Brangäne über Gestaltungskraft und Volumen in allen Registern. Hier baut die Talentschmiede Bayreuth eine große Begabung auf. Iain Paterson gestaltet den Kurwenal mit einem selten schönen, warm timbrierten Bassbariton. Den König Marke bürstet Katharina Wagner gegen die übliche Lesart. Er ist bei ihr nicht der gute Herrscher, der fassungslos vor dem Vertrauensbruch seines besten Freundes und seiner Verlobten steht, sondern er zeigt, wozu die Liebe die Menschen treiben kann: Sie macht ihn böse, zum Sadisten. Zu diesem Rollenkonzept steht René Papes runder, voller Bass einigermaßen im Widerspruch; die fiese Seite kauft man ihm stimmlich nicht ab.

Christian Thielemann bringt die Partitur zum Brennen

Katharina Wagner nimmt die Werkstatt Bayreuth ernst, sie hat seit der Premiere 2015 konsequent an ihrer Produktion weitergearbeitet, und ihre Personenführung zeichnet die Charaktere präzise und sauber. Die Regisseurin erzählt die Tragödie einer Obsession. Nacht steht hier nicht nur für den geheimen Ort, an dem die Liebenden geborgen, weil unsichtbar sind, sie steht auch für Umnachtung.

Aber wie aufregend klingt diese Nacht, Christian Thielemann bringt die Partitur mit dem Festspielorchester regelrecht zum Brennen, wenn er feinste Nuancen und weitgeschwungene Ausbrüche zu einem organischen Ganzen verdichtet.

Der Bayreuther „Tristan“ ist eine ungemein berührende, unter die Haut gehende Inszenierung, gerade, weil sie die Schattenseiten des ganz großen Gefühls offen legt. Die Todessehnsucht ist nicht die Vollendung der Vereinigung zweier Liebenden, sie ist der Exzess.