Hagen. . Helen Langehanenberg und Damon Hill: Die Zukunft des deutschen Dressur-Traumpaares, das bei der WM Mannschafts-Gold und zweimal Silber im Einzel holte, steht auf der Kippe. Ein Gespräch über Liebe, Erfolg - und ein Pferd, das lesen und schreiben kann.

Hinter Helen Langehanenberg liegt eine erfolgreiche ­Sommersaison. Mal wieder. Die ­32-Jährige aus Billerbeck bildet mit ihrem Bad Sassendorfer Hengst ­Damon Hill das ­beste Dressurpaar Deutschlands. Doch ihre gemeinsame Zukunft ist nun gefährdet. Die Verhandlungen über eine Verlängerung der ­Zusammenarbeit mit den Pferdebesitzern blieben bisher erfolglos. Es gibt Interessenten, Damon Hill könnte verkauft werden. Ende Oktober soll eine Entscheidung fallen.

Frage: Frau Langehanenberg, gut eine Woche vor Beginn des Dressur-Weltcups rätselt die Szene: Wird das deutsche Traumduo getrennt?
Helen Langehanenberg: (lacht) Dann muss die Szene weiter rätseln. Es gibt keinen neuen Stand. Die ­Gespräche mit der Besitzer-Familie Becks laufen noch.

Haben Sie Angst vor dem Tag, an dem Sie den Hengst nicht mehr ­reiten dürfen?
Hmmmmmh - ja. Ja und nein. Ach, das weiß ich nicht. Ich glaube, das wäre so, als würde ich den besten Freund verlieren.


Wie schwer fällt es einem Profi wie Ihnen, in diesen Verhandlungen die Emotionen auszublenden?
Ich bin Profi, natürlich. Aber ich ­liebe meine Pferde - und Dami ganz besonders. Es wäre schon hart, ihn zu verlieren. Deswegen: Lassen Sie uns über etwas anderes sprechen.


Ohne Damon Hill wird es nicht ­gehen. Bei der WM erweiterte sich Ihre gemeinsame Medaillensammlung um Mannschafts-Gold und zweimal Silber im Einzel. War das die Krönung einer starken so genannten Grünen Saison?
Ich bin wirklich super, super zufrieden und glücklich. Dami ging ja gar nicht so viele Turniere, aber die ­waren echte Höhepunkte. Allerdings präsentierten sich auch unsere jungen Pferde hervorragend.

Haben Sie schon einen potenziellen Nachfolger für Damon Hill im Blick?
Ja, aber den Namen verrate ich nicht. Es gibt zwei Pferde, die Grand-Prix-Niveau erreicht haben, und fünf, die S-Prüfungen gehen. Da kommt eine ganz tolle Truppe hinterher. Die Pferde müssen Erfahrungen sammeln und dann schauen wir mal, welches sich herauskristallisiert.

Sie tanzen seit vier Jahren mit ­Damon Hill von Erfolg zu Erfolg. Fühlen Sie sich trotzdem noch wie in einem schönen Traum?
Klar ist das ein schöner Traum. Ein Lebenstraum, keine Frage. Das vierte Championat nacheinander zu absolvieren, ist etwas Außergewöhnliches. Ich bin total stolz auf ihn und darauf, was für eine Motivation, was für einen Elan er sich über die ganzen Jahre erhalten hat. Er gibt ­immer wieder alles.

Ärgert es Sie, dass es bei der WM zweimal „nur“ zu Silber reichte?
Ärgern ist an dieser Stelle definitiv das falsche Wort. Dami hat echt fantastische Runden gezeigt und wurde jeden Tag etwas besser. Ich - und viele andere auch - fand ihn überragend. Die letzte Entscheidung liegt aber nicht in meiner Hand und an der Weltspitze geht es derzeit sehr eng zu. Mit unserer Leistung bin ich aber einfach total zufrieden.


Das hört sich ein bisschen danach an, als haderten Sie mit der Benotung…
Na ja, davon kann sich doch keiner frei machen. Ich glaube, dass alles sehr objektiv verläuft, weil die Kriterien ja grundsätzlich festgelegt sind. Nichtsdestotrotz sind alle bewertenden Sportarten ein bisschen subjektiv. Das wissen wir und das gleicht sich am Ende des Tages auch wieder aus.


Verdrängen die Erfolge die Gedanken daran, wie lange diese Zeit noch anhält?
Alles ist endlich, das ist einfach so. Natürlich denke ich darüber nach, aber ich bin eher der Typ, der den Moment genießt.

Wie beschreiben Sie Damon Hill?
Er ist der beste Freund. Mit ihm könnte man Pferde stehlen, wenn er nicht eines wäre. Er ist unglaublich freundlich, menschenbezogen und benötigt ganz viel Aufmerksamkeit. Er ist ein Kämpfer und will auf ­jedem Turnier sein Bestes geben. Er hat nie schlechte Laune. Er weiß, dass er toll ist. Wäre er ein Mensch, oder wäre er ein bisschen kleiner, würde er wahrscheinlich bei uns auf dem Sofa sitzen. Eigentlich ist er gar kein Pferd mehr – irgendetwas ­anderes. Der kann lesen und schreiben. Der ist auf jeden Fall etwas ganz Besonderes.


Können Sie sich an den Tag erinnern, als Sie ihn…
Ja! Ganz genau. (lacht)

Wie lief das erste Treffen?
Er war dreijährig und ich habe ein paar Runden Schritt und Galopp von ihm gesehen. Für mich war er das ultimative Pferd. So einen wie ihn hatte ich zuvor noch nicht gesehen. Für mich war er da schon das weltbeste Pferd.

Klingt wie Liebe auf den ersten Blick?
Ja, das kann man so sagen.

Wie waren die ersten Ritte?
Es fühlte sich an, wie zu Hause anzukommen. Es fühlte sich unglaublich richtig an, als würden wir schon immer zusammen gehören. Es war fast schon erschreckend.

Wussten Sie zu diesem Zeitpunkt, dass diese Beziehung Siege und Medaillen bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften hervorbringen wird?
Nein, wissen kann man das nie. Aber ich habe in den ganzen Jahren immer gesagt: Das ist das weltbeste Pferd, es gibt kein besseres.

Welchen Stellenwert besitzen andere Pferde für Sie?
Auch einen ganz hohen. Dami ist eine Ausnahme, klar. Aber die jungen Pferde brauchen auch viel Aufmerksamkeit, um heranzureifen.

Sind Sie von Kindesbeinen der Dressur verschrieben gewesen?
Reiten war immer meine Leidenschaft. Ich habe in der Lehrzeit bis zur Klasse L auch Vielseitigkeits- und Springprüfungen gewonnen. Es hat mir auch viel Spaß gemacht, aber das war nie hundertprozentig meins.

Was reizt Sie an der Dressur?
Diese Feinheit, diese Harmonie, dieses Einheit mit dem Pferd zu werden. Das Gesamtkunstwerk. Dass es aussieht, als würde ich nur auf dem Pferd sitzen, nett lächeln und nichts tun. Es ist natürlich nicht so.

Reiten nur Sie Damon Hill?
Wenn ich nicht zu Hause bin, hat Sebastian (Langehanenbergs Ehemann; d. Red.) ihn auch schon mal locker geritten. Aber grundsätzlich reite ich ihn alleine.

Die beiden verstehen sich gut?
Ja, sehr gut.

Keine Eifersüchteleien unter Männern?
(lacht) So weit kommt das noch. Nein, das geht super. Seb hat ja auch immer viele Kekse für ihn mit dabei.

Wie sehr haben die Erfolge der ­zurückliegenden Jahre Sie persönlich verändert?
Besonders nach den Olympischen Spielen in London gab es viele Interview-Anfragen und so weiter. Da habe ich gesagt: Eigentlich möchte ich doch nur reiten. Mit mir persönlich haben die Erfolge und die vergangenen Jahre aber gar nichts gemacht. Ich bin immer noch die Helen, die ich immer war. Und die möchte ich auch gerne bleiben.

Wie sehen Sie Ihre persönliche Zukunft? Wie lange reiten Sie noch auf den Dressurplätzen dieser Welt?
Wenn man das immer so wüsste… Es hängt ja alles zusammen. Im großen Sport zu reiten, geht ja nur mit einem außergewöhnlichen Pferd. Ein guter Reiter macht gute Pferde besser, und ein außergewöhnliches Pferd macht auch einen schwachen Reiter besser. Aber letztendlich müssen beide Seiten top sein, um ganz nach oben zu kommen. Wir müssen in der Kombination auf den Punkt topfit sein. Das macht den Sport so außergewöhnlich, aber auch nicht ganz einfach.

Sind die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro ein Ziel?
Ja klar, auf jeden Fall.

Gemeinsam mit Damon Hill?
(lacht) Schön wäre es.