Meschede. . Geschichten vom Ruhrtal-Radweg: Ein Fahrrad-Verleiher kann viel erzählen.

Das meiste ist erforscht, gespeichert und analysiert: 47,5 Jahre alt ist der durchschnittliche Ruhrtalradweg-Benutzer - falls er unterwegs übernachtet; als Tagesausflügler zählt er 54,2 Jahre. Letztere tragen sich zu 97,7 Prozent mit Wiederholungsabsichten, Erstere bleiben 3,56 Nächte, geben pro Tag 75,60 Euro aus, sind zu 94,1 Prozent zufrieden und empfehlen die Strecke zu 91,7 Prozent weiter.

Und so weiter. Daten satt. Nicht bekannt ist nur, warum so viele Radfahrer mit unzureichenden Bremsen starten. „Wenn es regnet, sind die im Bergland ruckzuck hin“, hat Hermann Hegener erfahren. „Da kann ich gar nicht so schnell wechseln, wie die Notrufe eingehen.“

Den 75-Jährigen Mescheder wundert’s, doch klagen will er nicht. Sein Fahrrad-Fachgeschäft profitiert vom Leichtsinn der Touristen. Als Reparaturservice und als Ersatz-Verkäufer für die schweren Fälle. „In der Saison melden sich täglich zwei bis drei Ruhrtal-Radfahrer mit Schäden“, sagt Hegener - was freilich nicht nur auf schlechtes Material, sondern auch auf einen Boom des acht Jahre alten Radwegs hindeutet: 2013 übernachteten mehr als 150 000 Besucher, über eine Million Tagesgäste waren an der Strecke. Der Mescheder Rad-Experte führt keine Statistik, aber beobachtet: „Es wird jedes Jahr mehr.“ Objektiv ist der junge Radweg auch schon unter den Top Ten in Deutschland.

Hermann Hegener ist jedoch nicht nur der Mann für Notfälle. In erster Linie vermietet er Fahrräder. Vor allem E-Bikes. 130 stellt er an insgesamt 27 Stationen zur Verfügung. Im Angebot hat er die Räder, die insbesondere bergauf die Anstrengung in Grenzen halten, seit mehr als zehn Jahren. „Im Sauerland ist das ein Renner“, sagt er. „Die meisten Kunden hätten sich mit einem normalen Rad nie auf die Strecke gewagt.“

Dabei wählt die überwältigende Mehrheit bereits den leichteren Weg: ruhrabwärts. Hegener weiß das: „Ich frage die Leute immer, wo sie herkommen und wo sie hinwollen.“ Für viele ist Meschede, 40 Kilometer von der Quelle, erste Übernachtungsstation. Das reicht für den ersten Radeltag, der nach der Anreise meist erst gegen Mittag beginnt. Es geht schließlich nicht nur abwärts: „Bei Olsberg ist eine schöne Steigung. Die meisten kommen hechelnd hier an“, sagt der Rad-Enthusiast, der vor seiner Zweitkarriere 41 Jahre lang im Kfz-Gewerbe tätig war und dessen Radladen 500 Meter vom Ruhrtalweg entfernt ist.

Lustige Sauerländer

Hegener kennt die Hoteliers, die kennen ihn, und gegenseitig empfiehlt man sich die Kunden. Das macht alle zufrieden, auch Gäste, die anderes erwartet hatten. „Zwei Rheinländerinnen kamen Freitag nachmittags mit einem komplizierten Schaden, der nicht so schnell zu beheben war“, erinnert sich Hegener. Er besorgte ihnen ein Hotel und gab Tipps für ihren Zwangs-Aufenthalt: „Ich habe Ihnen das Fest am Hennedamm empfohlen.“ Und als sie am Montag ihre Räder wieder abholen konnten, sagten sie: „Wir wussten gar nicht, dass die Sauerländer so lustig sind.“

Kaufzwang

Was die meisten Touristen weniger lustig finden: Wenn sie sich ein neues Rad kaufen müssen. Oder ein neues Gebrauchtes. „Eine Ehefrau hat sich erst entschlossen, als ihr Mann drohte, ohne sie weiterzufahren“, erzählt der Händler, der selbst Radgruppen durch ganz Deutschland führt. Dankbar war dagegen die Familie mit drei Kindern, über deren Räder Hegener nur den Kopf schütteln konnte. Aber er erledigte die Reparatur am Sonntag. Und erhielt acht Tage später eine große Bonbonniere. Untröstlich der Radler, der zwischen zwei Spaziergängerinnen durchfahren wollte, als die plötzlich die Köpfe zusammensteckten. Er wich aus, landete im Graben, das teure Fahrrad war Schrott.

Hört Hermann Hegener denn sonst Beschwerden? „Am Anfang ist es manchen zu schotterig. Aber Klagen über die Gastronomie hört man nicht mehr. Das ist viel besser geworden.“ Schlechter geworden ist dagegen die Ausrüstung der Radfahrer: „Kaum einer hat noch Werkzeug dabei.“ Der Automat mit Fahrradschläuchen, in dessen Schubfächern einst Zigaretten steckten, den der Händler an der Strecke aufgestellt hat, werde zwar gut genutzt, aber viele Pannenradler müssten auch wegen kleiner Probleme um Hilfe rufen. Doch dafür hat Hegener schließlich seinen Werkstattwagen.

Und wenn das Rad in Ordnung ist - welche Tipps hat der Experte sonst? „Einzelreisende werden kein Problem haben, eine Übernachtungsmöglichkeit zu finden, Gruppen sollten aber unbedingt vorbuchen. Vor allem um Brückentage herum wird es eng.“