Arnsberg/Soest. .

Vermindert schuldfähig? Ja oder Nein? Ist die 22-jährige Soesterin Bianca N. für den Tod ihrer dreieinhalb Monate alten Tochter Fee-Marie verantwortlich? Ende Oktober vergangenen Jahres ließ die junge Mutter ihr Baby verdursten und verhungern.

Am sechsten Prozesstag hat sich die Zweite Große Strafkammer am Landgericht Arnsberg gestern mit den möglichen gesundheitlichen Schäden beschäftigt, die die Angeklagte erlitten hat, als ihre Mutter mit ihr schwanger war.

Ursache für eine Schädigung des Embryos war der erhebliche Alkoholkonsum der werdenden Mutter. „Dieses Hirn hat in der Reifung täglich, vom ersten bis zum letzten Tag, 1,5 Liter Brandy abbekommen“, sagt Gutachter Dr. Markus Müller-Küppers aus Brilon.

Der Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie kommt zu dem Ergebnis, dass bei der Angeklagten ein Fetales Alkoholsyndrom (FAS) vorliegt. „Das liegt sehr nahe.“ Ihre Kleinwüchsigkeit und ihre Verhaltensauffälligkeiten, „das Nichteinhalten von Regeln, das eingeschränkte Gefühlsempfinden und die fehlende Risikoeinschätzung“, sprächen dafür. Eine Minderung der Schuld sieht Müller-Küppers hingegen nicht: „Die Tat ist nicht alleine durch FAS begründet.“

Neue Erkenntnisse über das unbegreifliche Verhalten der Soesterin liefert der Mann im Zeugenstand, mit dem sie tagelang in Münster feiert, während ihr Säugling zu Hause qualvoll stirbt. Der 37-Jährige ist fassungslos, als er im Saal hört, dass das Baby gar nicht krank war: „Das erfahre ich erst jetzt. Ich mache mir selbst Vorwürfe.“ Die Soesterin hatte von einem Hirntumor gesprochen, erzählt, dass ihre Tochter nur noch wenige Monate zu leben habe und, dass sie jede freie Minute mit Fee-Marie genieße. Die beiden kennen sich gerade eine Woche, empfinden Sympathie füreinander. „Man ist sich näher gekommen“, sagt der in Trennung lebende Zeuge.

Als die Soesterin für einen Tag nach Hause fährt, den Tod der Tochter feststellt und bei ihm in Münster für 14 Tage einzieht, verhält sie sich nicht auffällig. „Ihr war nichts anzumerken.“ Nach seiner Aussage klopft er mit der Faust auf die Anklagebank und sagt: „Ich wünsche Dir viel Glück.“ Das Urteil wird nächste Woche Mittwoch erwartet.