Hagen. . In seiner letzten Feldpostkarte bittet August Macke um Alltägliches. Zwei Tage später ist er tot. Der Erste Weltkrieg vernichtet eine junge Künstler-Generation.

Das Jahr 1914 und Südwestfalen: Versucht man, sich dem epochalen Ereignis des Ersten Weltkriegs aus kultureller und regionaler Sicht zu nähern, liegt ein Blick auf den Soldatenfriedhof am Rand des Dorfes Souain (Departement Marne) im Nordosten Frankreichs nahe. Dort liegt August Macke in einem Sammelgrab, der kaum acht Wochen nach dem deutschen Angriff auf Frankreich am 26. September 1914 im Alter von nur 27 Jahren in der Champagne fiel.

Mit dem in Meschede geborenen großen Maler verlor die deutsche Kunst einen führenden Vertreter der Avantgarde. Was hätte er noch alles schaffen können! „Eine ganze fortschrittliche Richtung der Kunst ist durch den Krieg zugrunde gegangen“, resümiert Dr. Tayfun Belgin, Direktor des Hagener Osthaus-Museums. „Man braucht etwa drei Jahrzehnte, bis wieder eine neue Avantgarde entstehen kann.“

Die letzte Feldpostkarte

In seiner letzten Feldpostkarte vom 24. 9. 1914 bittet August Macke um Schokolade, dicke Socken, Wäsche und Zigaretten. Zwei Tage später kommt die bedeutendste Hoffnung der deutschen Kunst im Gefecht zu Tode. Wie Franz Marc hatte sich Macke freiwillig für die Front gemeldet. Viele Künstler und Intellektuelle der Zeit, darunter Dichter wie Hermann Hesse, Richard Dehmel und Hermann Löns, verherrlichen den Krieg geradezu euphorisch. „Sehr viel distanzierter als sein Freund Franz Marc sieht August Macke auf den Krieg und die inhumanen Zustände“, schreibt Tayfun Belgin im Katalog zur aktuellen Hagener Ausstellung „Weltenbrand“.

Belgin zitiert aus Mackes Brief an seine Frau Elisabeth vom 9. September 1914: „Es ist alles so grauenvoll, dass ich Dir nichts darüber schreiben mag. Unser aller Gedanke ist Friede. Die Leute, die in Deutschland im Siegestaumel leben, ahnen nicht das Schreckliche des Krieges.“

Franz Marc ist erschüttert vom Tod des Künstlerfreundes: „Wie viele und schreckliche Verstümmelungen mag dieser Krieg unserer zukünftigen Kultur gebracht haben. August Macke, der ,junge Macke’, ist tot. Er hat von uns allen der Farbe den hellsten und reinsten Klang gegeben, so klar und hell als sein ganzes Wesen war“, schreibt der Maler in seinem Nachruf. Am 4. März 1916 fällt auch Franz Marc. Er wurde 36.

An der „Heimatfront“, in Südwestfalen, ist nach dem Krieg kulturell nichts mehr wie zuvor. Nicht nur viele Künstler sind tot. „Der Erste Weltkrieg markiert auch den Niedergang einer Stadt“, resümiert der Hagener Historiker und Archäologe Dr. Ralf Blank mit beispielhaftem Blick auf Hagen. Denn vor 1914 ist Hagen ein international führendes Zentrum der modernen Kunst. Das von Karl Ernst Osthaus gegründete Museum Folkwang ist das weltweit erste Museum, in dem die Werke der Moderne wie unter anderem August Macke und Franz Marc gesammelt und gezeigt werden.

Krise der Identität

Der Kunst-Visionär Osthaus wird 1916 ebenfalls zum Kriegsdienst eingezogen. Dabei wird seine Gesundheit so schwer in Mitleidenschaft gezogen, dass er an den Folgen 1921 mit 46 Jahren in Meran stirbt. Schon ein Jahr nach seinem Tod verkaufen die Erben den größten Teil seiner Kunstsammlungen für 15 Millionen Reichsmark nach Essen – das vom Krieg schwer gebeutelte Hagen kann die erforderliche Summe trotz aller Anstrengungen nicht aufbringen. „Dass die Sammlung Osthaus wegging, hat der Stadt noch den Rest gegeben“, konstatiert Blank.

Nach 1918 hat die kulturelle Avantgarde in Südwestfalen kaum noch eine Stimme. Angesichts der katastrophalen Gegenwart blickt man nicht in die Zukunft, sondern lieber zurück in die Vergangenheit. „Die Hinwendung zur Heimatkunde und Heimatgeschichte ist ausgeprägter als früher“, analysiert Ralf Blank. „Es entstehen zahlreiche Heimatvereine. Das hat mit der Rückbesinnung auf die gute alte Zeit zu tun, mit der verloren gegangenen Identität.“

Mehrere Gründungen von Heimatmuseen sind aus dieser Bewegung in Südwestfalen in den 1930er Jahren entstanden. Blank: „Und davon haben die Nazis dann wieder profitiert.“

Die Ausstellung Weltenbrand im Osthaus-Museum Hagen ist noch bis zum 10. August zu sehen. www.weltenbrand-hagen.de