Arnsberg. . Als Taekwondo-Kämpferin gewann Helena Fromm aus Arnsberg die Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen 2012 in London. Als Mutter des gerade ein halbes Jahr alten Jonas merkt sie, dass es ein Leben neben dem Sport gibt. Und dass der Weg zurück beschwerlicher ist als angenommen.

Gegen das Holzhaus der Familie Fromm gelehnt, steht eine Medaille. Drei Meter Durchmesser. „Helena“ ist auf der Nachbildung zu lesen. Von einem Kran war das Exemplar durch die Ortschaft Oeventrop geschleppt worden, als die bekannte Tochter der Stadt Arnsberg 2012 aus London zurückkehrte und in einem offenen Cabriolet vorwegchauffiert wurde. 2000 Menschen empfingen die Taekwondo-Kämpferin Helena Fromm euphorisch. Sie winkte, lächelte, winkte und lächelte. Um den Hals baumelte Bronze.

Schöne Vergangenheit.

Die echte Medaille liegt im elterlichen Haus in der oberen Etage. Helena Fromm wacht, wenn sie zu Besuch ist, jeden Morgen neben ihr auf. So wie an diesem Tag um 6 Uhr in der Früh. Nicht ganz freiwillig, sondern auf die unmissverständlichen Botschaften ihres sechs Monate alten Sohnes hin. Alles gut, Mama Helena ist da.

Später sitzt die 26-Jährige im Wohnzimmer, die Medaille ist so nah und doch so fern. Ihre Hände - die Fingernägel pink lackiert - fassen den Kleinen sicher. Sein Name ist auf die winzigen Pantoffelschühchen gestickt: ­Jonas. Er lächelt so ein ­Babylächeln, das jeden gefangen nimmt, vor allem die Mutter. „Ich habe es mir leichter vorgestellt“, sagt Helena Fromm ein wenig überrascht von den Gefühlen, die sich bei ihr einstellten.

Schöne Gegenwart.

Eigentlich sollte ihr Leben nach der Geburt weitergehen, wie es immer war: mit Sport. „Ich dachte: Da wird ein Kind sein, aber das kriege ich hin, kein Problem.“ ­Jonas ist im November geboren, am 1. Januar sollte ihr Weg zurück in den Hochleistungssport beginnen. Sie startete langsam - und stellte doch fest, dass ihr Körper noch nicht zu geben im Stande war, was der Kopf ihm abverlangte.

Dabei hatte sie doch immer auf ihren Kopf gehört. Mit ihm steuerte sie ihre Beine zu waffenscheinpflichtigen Tritten. Wenn sie glaubte, dass es sein musste, auch verletzt, unter Schmerzen. „Zehn Jahre lang habe ich mich immer für den Sport entschieden“, sagt sie. Ohne Reue. Aber die Partys mit den Freundinnen? Die Urlaube? Die freie Zeit? Geopfert fürs nächste Training. „Die Sporttasche war mein ewiger Begleiter. Nun lerne ich das Leben neben dem Sport kennen.“ Es gefällt ihr. Das macht die Sache für die kämpfende Mama so schwierig.

Denn der Traum von Olympia 2016 in Rio schlummert noch in ihr, von Gold vielleicht, wer weiß? Sie könnte sich über die Weltrangliste qualifizieren, dazu müsste sie wie in den vergangenen Jahren durch die Welt reisen, um bei den Weltcups Punkte zu sammeln. Das geht nicht, das will sie nicht. Wegen Jonas, wegen ihres Management-Studiums für Spitzensportler in Ansbach. Die Regelstudienzeit drängt. In diesem Jahr will sie es zum Ende bringen. Vier Pflichtpräsenztage sieht das Studium pro Monat vor. Dann lässt sie Jonas’ Papa Jendrek Stanek, ehemaliger Skifahrer und Kollege von Felix Neureuther, in dessen polnischer Heimat Breslau vorübergehend zurück, schläft für ein paar Tage neben ihrer Medaille und reist ohne Jonas weiter nach Franken. ­Organisation ist alles.

„Ich habe diesen olympischen Traum noch in mir, aber nicht um jeden Preis. Ich will nicht zwei Jahre mit meinem Sohn verpassen“, sagt sie. Also bleibt ihr nur das Olympia-Qualifikationsturnier Anfang 2016. Das ist ihr Plan, dafür wird sie versuchen, sich in Form zu bringen. Ein Erfolg dort und sie könnte den einen deutschen ­Taekwondo-Platz in Rio einnehmen. Vorausgesetzt der Verband nominiert sie und nicht eine Mannschaftskollegin, die sich womöglich über die Weltrangliste qualifiziert. Das ist das Problem.

Fromm braucht für ihren Plan 2016 die Unterstützung des Verbandes, der Verband und der Bundestrainer brauchen ihr Aushängeschild am besten jetzt und in bester Form. Es hat Gespräche gegeben, ein Ergebnis steht aus. „Ich will nicht, dass 2016 die Türen für mich verschlossen sind“, sagt sie und reklamiert für sich, dem Damen-­Taekwondo die erste Olympia-Medaille und damit jede Menge Fördergelder eingebracht zu haben.

Am Wochenende stand Helena Fromm erstmals wieder bei einem Wettkampf auf der Matte. Bei den Austrian Open verlor sie gleich ihren ersten Kampf. Ungewohnt.

„Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren“, sagt sie. So reagiert sie immer. Trotzig. ­Mutig. Entschlossen. Eigentlich. „Ich weiß, dass ich ein olympisches Finale erreichen kann“, meint sie. Sie weiß aber auch, dass der Weg dorthin so unglaublich steinig ist. Die Narben an ihrem Körper erzählen von der Pein des Berufsalltags als Spitzensportlerin.

Dann lächelt Jonas.