Winterberg. . Schlamm als Kriegsbemalung, Hardrock und junge Fahrradfahrer im Kampf mit der Schwerkraft - so könnte man das iXS Dirt Master Festival im Winterberger Bikepark in aller Kürze umschreiben. Und doch ist es viel mehr, wie es Nele Bätzel (16), die mit ihrer Mädchenclique aus Bad Laasphe angereist ist, auf den Punkt bringt: „Es ist das Lebensgefühl einer Szene. Das ist einfach nur cool, diese Sprünge, diese verschworene Gemeinschaft, diese Jungs, fantastisch.“

Seit einer Stunde beobachten die Schülerinnen, wie sich die Dirt-Fahrer-Amateure aufwärmen, wie sie immer wieder mit ihren Bikes künstlich aufgeschichtete Hügel hinaufsausen, sich für Sekunden Richtung Himmel verabschieden und dann die harte Landung aus drei, vier Metern Höhe meistern. All das wird von Helmkameras ins weltweite Netz übertragen. Bewegte Bilder von Heldentaten unter den Wolken über Winterberg, von einer in sich geschlossenen Szene, die Aktionen nie beklatscht, sondern nur anerkennend abnickt. Aber bitte nicht zu heftig!

Der Traum vom Backflip

Das Festival wird von Jugendlichen, den 12- bis 18-Jährigen dominiert. Und von denen erfährt man, dass BMX gestern war. Im Trend sei Dirt- oder Downhill-Fahren. Eben alles, was man ohne Panzerweste, Nackenschutz und Helm mit einem Rad nicht machen sollte. Laien erklären sie mit wenigen Sätzen den Unterschied: Dirt setze auf Akrobatik in der Luft, Downhill sei die längere Version, da komme es vor allem auf Zeit an.

1800 Fahrer aus aller Welt zeigen noch bis Sonntag in Winterberg in verschiedenen Freeride-Wettbewerben ihr Können. Profis und Amateure. Umrahmt von Livekonzerten und einer Produktmesse. 35 000 Zuschauer werden insgesamt erwartet. 600 Anwohner sind per Brief vor der Biker-Invasion gewarnt worden. Vor ohrenbetäubender Musik, Jugendlichen im Einheitslook mit schwarzen oder grauen Kapuzenpullis, die sich mit ihren Rädern auf Straßen, im Wald und in der Luft von Wasser, Schlamm und Split trennen.

Jonas Kobasch träumt davon, irgendwann einmal so gut wie die Profis zu sein und den „Dreifachen Backflip“ auf die Räder zu bekommen. Der 16-jährige Amateur-Dirt-Fahrer ist mit seinem Freund aus Duisburg angereist. Er will noch auf alle Fälle Marius Hoppensack beim Training beobachten. Einen der deutschen Stars der Szene.

Kobasch berichtet über die Sucht, die mit jeder Dirt-Fahrt wachse. „Die Adrenalinstöße sind gigantisch. Da will man immer mehr.“ Er könne nicht davon lassen, obwohl es ein teures Hobby sei. 2500 Euro koste ein Dirt-Bike. „Einstiegsklasse. Mit viel Luft nach oben. Profis sind mit mehr als 10 000 Euro dabei.“ Ab und zu müssten seine Eltern „aushelfen“.

„Die Parcours sind Sahne“

Kobasch ist von dem Festival, das das Mountainbike-Rider-Magazine und der Bikepark Winterberg auf die Beine gestellt haben, begeistert: „Die Parcours sind erste Sahne.“ Nur in Österreich, Kanada und den USA gebe es bessere.

Jan-Gerrit Cloudt (14) und Nils Lachmann (14) aus Niederkrüchten bei Mönchengladbach setzen ein breites Grinsen auf. Die beiden jungen Dirt-Fahrer haben die Sprünge unter den Augen ihrer Eltern gemeistert. „Geile Sache“, sagen sie unisono. Beide wollen Profis werden und so gut wie ihr Idol, der zurzeit wohl beste Freeride-Fahrer Brandon Semenuk aus Kanada. Eben jenem Land, das die Begeisterung für das „wilde Fahrradfahren“ über den großen Teich nach Deutschland gespült hat. Fast jeden Tag, so erzählen die beiden 14-Jährigen, üben sie im Wald. Prellungen und kleinere Verletzungen seien an der Tagesordnung.

Nils’ Eltern unterstützen ihren Sohn: „Besser als den ganzen Tag am Computer zu hocken“, sagt Ulrich Lachmann. Er ist sich der Risiken bewusst: Nils sei bereits einmal von einem Rettungsflieger nach einem misslungenen Sprung abgeholt worden. „War aber halb so schlimm“, sagt der Junge, der mit seinem Dirt-Fahrrad keine fünf Kilometer fahren würde: „Nie im Leben, denn dann wäre ich tot.“