Schmallenberg. . Am 30. April schließt der Landarzt seine Praxis. Für immer. Bödefeld, der 1100-Einwohner-Ort im Schmallenberger Sauerland, wird dann ein weißer Fleck auf der Hausarzt-Karte in Südwestfalen sein. „Es fällt mir nicht leicht“, sagt Dr. med. Franz-Josef Ochsenfeld.

Am 30. April schließt der Landarzt seine Praxis. Für immer. Bödefeld, der 1100-Einwohner-Ort im Schmallenberger Sauerland, wird dann ein weißer Fleck auf der Hausarzt-Karte in Südwestfalen sein. „Es fällt mir nicht leicht“, sagt Dr. med. Franz-Josef Ochsenfeld. Fast 30 Jahre war der gebürtige Sauerländer der „Hausdoktor“, wie er sich selbst bezeichnet. Einen Nachfolger für seine Praxis hat er nicht gefunden.

Der „etwas plötzliche“ Abschied geht dem 65 Jahre alten Allgemeinmediziner nahe. Eigentlich wollte er Ende Juni aufhören - dann wären die 30 Jahre voll gewesen. Doch seine beiden medizinischen Fachangestellten haben schon eher neue Aufgaben gefunden.

Ein Zeitungsausschnitt von 1984

Vor wenigen Tagen erhielt Ochsenfeld von einer Patientin einen Ausschnitt dieser Zeitung vom 23. Oktober 1984. „Doktersche, Du fehlst uns sehr“, war der Artikel über den Abschied seiner Vorgängerin überschrieben. Ochsenfeld - damals noch mit einem Vollbart - ist neben Dr. Hildegard Heinemann zu sehen. „Doktor, Du fehlst uns sehr“ - das dürfte auch anno 2014 die Patienten-Meinung sein.

„Ein Landarzt braucht Empathie“, sagt der Bödefelder, der seine Aufgabe darin sah, seine Patienten „zu versorgen und zu betreuen“. Viele Menschen wollen in diesen Tagen ihrem Doktor die Hand schütteln, ihm danken. „Das ist emotional unheimlich belastend“, sagt Ochsenfeld.“

Nach 30 Jahren in einem Beruf mit einer 50- bis 60 Stunden-Woche habe man schon das Bedürfnis, zur Ruhe zu kommen, sagt der Mediziner. Auf der anderen Seite schmerzt es ihn, dass er keinen Nachfolger gefunden hat, der die medizinische Versorgung in Bödefeld sicher stellt. Seine Patienten müssen ab dem 2. Mai nach Bad Fredeburg (12 Kilometer entfernt), Ramsbeck (15 km) oder Meschede (20 km) fahren. Und das in Zeiten, in denen Busverbindungen gekappt, Apotheken und Praxen geschlossen werden. „Die Bevölkerung bleibt auf der Strecke.“

Ochsenfeld hat alle Hebel in Bewegung gesetzt, um einen Nachfolger zu finden. Er hat Praxis-Vermittler in Deutschland, in Österreich, Ungarn und Polen beauftragt sowie Anzeigen geschaltet. Darin warb er mit den Worten: „Besser Kaiser im Sauerland als König im Pott.“ Der Hausdoktor wollte seine Praxis (Wert: 250 000 Euro) verschenken. Niemand griff zu.

Junge Ärzte zieht es nicht aufs Land. „Interessenten haben mir gesagt, dass die Familie bei ihnen an erster Stelle steht, dass sie ein Privatleben haben wollen.“ Doch es ist nicht nur die Arbeitszeit. Junge Ärzte neigen heute dazu, wegen der finanziellen Unsicherheiten als Selbstständige in ein Angestelltenverhältnis zu gehen.

Zudem wird nach Ochsenfelds Ansicht die Allgemeinmedizin an Universitäten nur unzureichend gelehrt - und ein falsches Bild vermittelt. „Meiner Tochter wurde während ihres Studiums von einem Professor geraten, die Medikamentenvorräte der Verwandtschaft auf dem Land zu überprüfen - weil die unkundigen Ärzte ihre Patienten vergifteten. . .“

Zu Franz-Josef Ochsenfeld kommen Familien, die er bereits in der 5. Generation behandelt. „Es ist wichtig, die sozialen Hintergründe der Patienten zu kennen.“ Ein Landarzt muss auch Psychologe sein: „Früher gingen die Menschen zum Pastor, der ihnen zuhörte. In Zeiten des Priestermangels gehen sie zum Hausdoktor.“

Nach dem Trubel der letzten April-Tage wollen Franz-Josef Ochsenfeld und seine Ehefrau, die all die Jahre seine rechte Hand in der Praxis war, erst einmal „nach Luft schnappen und nichts tun“.

Das Ehepaar bleibt in Bödefeld

Nach einer gewissen Zeit wollen sie ein Unternehmen mit der Entsorgung der Praxiseinrichtung beauftragen. Die Ochsenfelds bleiben in ihrem Haus in Bödefeld. „Wir werden entgegen anderslautenden Gerüchte nicht auswandern oder nach Norddeutschland ziehen“, sagt der sympathische Arzt, der im Ruhestand sein altes Hobby Fotografie reaktivieren und sich im Ort und in „sozialen Dingen“ engagieren will. „Und ich kaufe mir ein Fernglas. Ich muss endlich die Wisente im Rothaargebirge sehen.“

Man mag glauben, dass der beliebte Landarzt, der eigentlich Verwaltungsbeamter werden wollte, immer die richtigen Worte für seine Patienten gefunden hat. Mal heiter, mal besorgt, stets mitfühlend. „Ich habe keine Sekunde bereut, dass ich Hausdoktor geworden bin“, sagt der 65-Jährige und blickt, als könne er noch gar nicht fassen, dass am 30. April Schluss ist.