Hagen. . Die vergangenen Wintermonate waren nach Angaben des Wetterdienstes Meteomedia im Schnitt drei Grad wärmer als das langjährige Mittel. Verbraucher profitieren von den milden Temperaturen. Für Landwirte, Einzelhändler und Skibetriebe sind sie jedoch eine Katastrophe.

Schnee, Eis und Frost: Sie blieben in diesem Winter fast gänzlich aus. Die Temperaturen fielen nur selten in den Minusbereich und erreichten in den vergangenen Tagen mancherorts sogar bis zu 20 Grad. Dabei beginnt der Frühling ganz offiziell erst am 20. März. Der warme Winter 2013/2014 – er war des einen Freud, des anderen Leid.

Verbraucher

Ein klarer Gewinner dieses Winters ist der Verbraucher. Die Heizung konnte an den meisten Tagen runtergedreht, manchmal sogar aus bleiben. Somit haben Haushalte bares Geld gespart. Die Verbraucherzentrale NRW gibt an, dass die Heizperiode im Vergleich zum Vorjahr um 13 Prozent wärmer gewesen ist. Konkret bedeutet das, dass ein Paar, das in einer 80 Quadratmeter großen Wohnung lebt, nur 13 050 statt durchschnittlich 15 000 Kilowattstunden Gas benötigte. Das sind 135 Euro weniger als im vergangenen Jahr.

Einzelhandel

Verlierer des warmen Winters ist dagegen der Einzelhandel. Denn o hne Schnee blieb auch der Bedarf an warmen Winterschuhen und dicken Pullovern aus. „Der Winterwarenverkauf ist nicht gut gelaufen“, sagt Karina Brühmann vom Einzelhandelsverband Südwestfalen. Besonders warme Herrenoberbekleidung und Stiefel seien sehr schlecht nachgefragt worden. Im Einzelfall seien die warmen Temperaturen im Winter sogar existenzbedrohlich für Textilverkäufer. „Schon vor Weihnachten haben sie kräftig reduziert. Die Händler haben sich den Umsatz so teuer eingekauft“, sagt Brühmann. Sportartikel für Ski- und Snowboardfahrer seien sogar trotz sehr günstiger Preise nicht mehr über die Ladentheke gegangen. Viele bleiben jetzt auf nicht verkaufter Ware sitzen.

Städte und Kommunen

Weniger Schlaglöcher und Straßenschäden sind eine positive Folge des milden Winters. Die Betriebshöfe mussten außerdem kaum streuen. So war in Hagen der Winterdienst nur an elf Tagen im Einsatz, in Warstein an zwölf Tagen. Jacqueline Jagusch vom Hagener Entsorgungsbetrieb (HEB) gibt an, dass nur zehn Prozent der herkömmlichen Menge an Streugut benötigt wurde. So hat die HEB nur 200 Tonnen Salz und 20 Tonnen Granulat gestreut. Demgegenüber sind noch 4500 Tonnen Salz und 500 Tonnen Granulat eingelagert. Jagusch: „Aus unserer Sicht ist der Winter positiv verlaufen. Wir konnten die Hinterlassenschaften der Silvesternacht zügig beseitigen und städtische Bürgersteige bereits von Unkraut befreien.“

Landwirtschaft

Die Pflanzenwelt ist aus dem Takt geraten. „Viele Arten sind ihrer Zeit drei Wochen voraus“, sagt Christian Deisenroth, Geschäftsführer des Kreissaatbauvereins Soest. Das sei in vielerlei Hinsicht negativ für die Erträge der Bauern – zumal nicht abzusehen sei, ob nicht doch noch Frost über die austreibenden Nutzpflanzen hereinbricht. Und nicht nur die Pflanzen sind in diesem Jahr ihrer Zeit voraus, auch Schädlinge wie Blattläuse machen sich früher als sonst über Getreide und Raps her. „Für die Landwirte bedeutet das nun einen erhöhten Kontrollaufwand“, so Deisenroth. Problematisch sei es vor allem, dass es zu wenig Niederschlag gegeben hat und sandige und steinige Böden nun zu trocken sind. Generell herrsche Verunsicherung unter den Bauern. Deisenroth: „Wir leben nur noch in Extremen. Im vergangenen Jahr sind im Kreis Soest 20 000 Hektar Felder verfroren, und jetzt müssen wir auf einen ungewöhnlich warmen Winter reagieren.“

Die Balver Höhle

Die Balver Höhle ist anders als andere Höhlen. Durch ihr elf Meter hohes und 18 Meter breites Eingangsportal wirkt sich das Klima auf das Innere der Höhle aus. „Frost schadet ihr, weil permanent Wasser durch die Decke sickert. Wenn es lange friert, beschädigt das Eis die Decke, weil es sich ausdehnt“, erläutert Martin Terbrüggen, Geschäftsführer der Schützenbruderschaft St. Sebastian Balve, die die Höhle betreibt. Außerdem bilden sich bis zu zwei Meter lange Eiszapfen – und die sind nicht ungefährlich. Darum sei die Höhle von Dezember bis Ende Februar gesperrt. Der milde Winter habe dem Felsendom deshalb gut getan. Terbrüggen: „Das Bergamt und der geologische Dienst haben die Höhle schon routinemäßig inspiziert und das wenige lose Gestein ist bereits entfernt worden.“ So steht der Festspiel-Saison nichts mehr im Wege und die Schützenbruderschaft freut sich über geringe Instandsetzungskosten, die sonst in jedem Frühjahr bis zu 25 000 Euro betragen.

Skiliftbetreiber

Das verlorene Wintergeschäft sei nicht aufzuholen, beklagen viele Skiliftbetreiber. Wo sonst Ski- und Snowboardfahrer bis zu dreieinhalb Monate im Jahr die Pisten genießen können, waren in diesem Winter mit viel Glück einige Tage Schneespaß drin, etwa am Skilift Hunau bei Bödefeld, der 16 Tage geöffnet hatte, oder im Wintersportzentrum Sellinghaus, wo der Lift an acht Tagen in Betrieb war. Nach Angaben von Susanne Schulten von der Wintersport Arena Sauerland liefen von Anfang Dezember bis Anfang Januar nur zwischen einem und fünf der insgesamt 150 Lifte. Beschneiung sei kaum möglich gewesen. Der milde Winter habe diejenigen besonders hart getroffen, die zuvor in den Liftbau investiert hatten. „Hinter uns liegt eine Durststrecke, mit der wir umgehen müssen. Schlechte Winter hat es aber immer schon gegeben“, sagt Schulten.

Wild und Vögel

Viele wilde Tiere haben den Winter dank der gemäßigten Temperaturen gut überstanden, so etwa Reh-, Rot- und Damwild, Hasen, Waschbären und Eichhörnchen. „Dadurch, dass es kaum Schnee und Eis gab, haben die Tiere ausreichend Nahrung gefunden“, sagt Stefan Befeld von Wald und Holz NRW. Die Vögel beginnen bereits mit Paarung und Brut – was vor allem in den Morgenstunden unschwer zu überhören ist.

Bäume und Insekten

Anders ergeht es dagegen Bäumen und manchen Insekten, denn sie leiden unter mehr Pilzbefall. „Bei milden Temperaturen gedeihen die Pilze besser und besiedeln zum Beispiel Wunden an Bäumen. So können sie in den Stamm eindringen und langfristig Fäule bewirken“, sagt Stefan Befeld. Auf die Insektenwelt kann sich dieser Pilzbefall ebenfalls negativ auswirken. Befeld: „Viele Menschen befürchten eine Plage, dabei kann ein zu warmer Winter genau das Gegenteil auslösen.“ Insekten, die als Larven oder Käfer überwintern, können einem Pilzbefall nur schwer Stand halten, so etwa der Borkenkäfer – und Getier, das sich in den Wintermonaten noch im Ei befindet, wie etwa Mücken, mache Frost sowieso nicht allzu viel aus.