Hagen. . Sind Katzen mehr als 200 Meter von Wohnhäusern entfernt alleine unterwegs, gelten sie als wildernd - und dürfen in NRW abgeschossen werden. Rund 11.000 Mal im Jahr geschieht das. Tierschützer werfen Jägern vor, “Haustiere grundlos abzuknallen“. Sie fordern eine Novellierung des Bundesjagdgesetzes.

10.047 Katzen und 77 Hunde sind im Jagdjahr 2012/2013 in NRW geschossen worden. Der Deutsche Tierschutzbund wirft Jägern in einer aktuellen Erklärung an Bundestagsabgeordnete vor, „Haustiere grundlos abzuknallen“ und fordert eine Novellierung des im Bundesjagdgesetz geregelten Haustierbeschusses. Demnach dürfen als wildernd geltende Hunde und Katzen außerhalb der Einwirkung ihres Führers in einer Entfernung von mehr als 200 Metern vom nächsten Haus geschossen werden.

Tierschützer sprechen von einer willkürlichen Richtlinie, die auf dem veralteten, von Reichsjägermeister Hermann Göring 1934 verfassten Reichsjagdgesetz fuße. Derweil lobt der Verband den Weitblick der Hessen, die das Abschussverbot auf 500 Meter zum nächsten Haus ausgeweitet haben. Freigängerkatzen seien dann relativ sicher, weil sie sich in der Regel nicht weiter als 300 Meter von ihrem Zuhause entfernen würden.

Kritik, aber keine Lösungsangebote

Der Deutsche Jagdverband indes will an der alten Regelung festhalten und zeigt sich enttäuscht, dass der Deutsche Tierschutzbund eine Einladung zum Dialog bisher ausgeschlagen hat. Die Tierschützer prangerten etwas an, böten aber keine Lösungen, heißt es in Berlin. Laut Tierschutzverbänden gibt es zwei Millionen verwilderter Hauskatzen in Deutschland, denen nach Hochrechnungen des Deutschen Jagdverbandes jährlich sechs Millionen Singvögel zum Opfer fallen.

Auch interessant

Ludger Baumeister (56) vom Landesjagdverband NRW, dem 80.000 Jäger angehören: „Die Tierschützer blenden die Wirklichkeit aus. Sie sehen nicht, dass das kuschelnde Etwas auf dem Sofa in der freien Natur zum Raubtier wird.“ Wenn Tierschützer sehen würden, so der Jäger aus Münster weiter, wie eine Katze einen Fasan stellt, dann würden sie „anders darüber denken“.

Stille in den Gärten - hat NRW ein Katzenproblem?

NRW habe, berichtet Baumeister, wie andere Länder auch, ein Katzenproblem. Wer das verinnerliche, den wundere auch nicht, warum es in den Gärten im Frühling immer stiller werde.

Die Vorschläge des Bundesjagdverbandes, das Paderborner Modell - eine Kastrationspflicht für Freigängerkatzen - in allen Städten einzuführen, findet Baumeister ebenso gut, wie den Vorstoß, gemeinsam mit dem Tierschutzbund ein Versuchsprojekt zu starten und verwilderte Katzen in Siedlungsnähe zu fangen und im Tierheimen kastrieren zu lassen.

Auch interessant

Kein Jäger, so Baumeister, töte gern einen Hund oder eine Katze. Das sei immer das letzte Mittel. Er appelliert an die Tierhalter, besser auf ihre vierbeinigen Freunde aufzupassen. Von einer Ausweitung der 200-Meter-Abschussgrenze von bebautem Gebiet hält der 56-Jährige nichts: Das mache keinen Sinn, da alle 500 Meter ein Gehöft oder Haus auftaucht. „Dann wären wir zum Zuschauen verdammt.“

Betäubungsgewehre als Alternative zur Flinte?

Für Horst Reimann (64), Vorsitzender des Tierschutzvereins Siegen und Umgebung, ist ein Abschuss per se fraglich: „Menschen werden beim ersten Fehlverhalten auch nicht mit der Todesstrafe bestraft. So sollte es auch bei Tieren sein.“ Er geht davon aus, dass die Dunkelziffer der von Jägern geschossenen Hunde und Katzen viel höher ist. Klaus Pehle, Vorsitzender des Tierschutzvereines des HSK mit Sitz in Meschede, ist derselben Ansicht. Er schlägt mit Blick auf sich anbahnende Familiendramen vor, Jäger mit Betäubungsgewehren auf die Jagd zu schicken.

Über solche Dramen berichtet im Internet die „Initiative jagdgefährderter Haustiere“. Sprecherin Astrid Krämer gehen die Forderungen des Deutschen Tierschutzbundes nicht weit genug. Sie hat kein Verständnis für den Abschuss verwilderter Katzen und stellt die Hochrechnungen infrage. Für die Tierschützerin sei es „krank“, dass „eine Hobbytruppe über Leben und Tod unserer Familienmitglieder entscheidet“. Die Singvögel dienten als billige Ausrede, um Katzen schießen zu dürfen.

Remmel liebäugelt mit Ausweitung der 200-Meter-Grenze

Kein Geheimnis ist, dass Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) mit einer Ausweitung der 200-Meter-Grenze liebäugelt. In Interviews hat er sich zum besseren Schutz von Haustieren durch das neue ökologische Jagdgesetz bereits geäußert.

„Es ist in Arbeit“, bestätigt Wilhelm Deitermann vom Umweltministerium unserer Redaktion. Man sei dabei, das Landesjagdgesetz zu novellieren. Er verweist auf den Runden Tisch, zu dem die Landesregierung Jäger und Naturschützer eingeladen hat. Auch die 200-Meter-Frage stünde zur Diskussion.

„Kein einfacher Prozess“, gesteht Deitermann angesichts der Zusammenkünfte zweier sich erbittert gegenüber stehender Parteien. Er geht trotzdem davon aus, dass das neue Landesjagdgesetz „noch in diesem Jahr steht“.