Warstein. . Es ist die Sehnsucht nach Normalität, die die Menschen in Warstein in diesen Tagen bewegt. „Von Legionellen will keiner mehr ‘was wissen“, sagt Bürgermeister Manfred Gödde. Es gilt nach vorne zu schauen - eine häufig benutzte Formulierung beim hochkarätig besetzen Salon der Westfalenpost im Haus Kupferhammer in Warstein.

Drei Tote und mehr als 160 Erkrankte ist die traurige Bilanz des Legionellen-Ausbruchs, der die 27 000-Einwohner-Stadt im Kreis Soest wochenlang in den (Negativ-)Schlagzeilen hielt. NRW-Umweltminister Johannes Remmel hat den Ort während der Krisentage aufgesucht, er weiß, dass die Warsteiner sich nach der Rückkehr in den Alltag sehnen, mag aber dennoch keine Entwarnung geben.

„Die Sache ist noch nicht abgeschlossen“, sagt er mit Hinweis auf die Aussagen des Vorstandsvorsitzenden des Ruhrverbandes, Prof. Harro Bode, und dessen Hauptabteilungsleiter Dr. Peter Evers, es gebe kein flächendeckendes Legionellen-Problem in den NRW-Kläranlagen. „Wir sind noch in der aktuellen Behandlung des Ausbruchs.“ Wann es einen abschließenden Bericht u.a. zu den Untersuchungen an Kläranlagen gibt? Es könnte Mitte November werden..

In der Rolle des Beruhigers versucht sich beim WP-Salon Legionellen-Forscher Prof. Martin Exner vom Institut für Hygiene und öffentliche Gesundheit in Bonn: „Die akute Phase ist gut abgesichert“, sagt er. Wissend, dass es keine Infektionskrankheit gibt, mit der so schwierig umzugehen ist. „Aber es läuft viel hinter den Kulissen, die Sache unter Kontrolle zu halten.“

Zweifel an den Quellen

Der Experte wiederholt noch einmal, dass man glaube, die „relevanten Quellen“ entdeckt zu haben. Ein Industriebetrieb soll Krankheitserreger aus einer Kläranlage und einer Vorkläranlage über dessen Kühlanlage in der Luft verteilt haben, so heißt es. Jörg Behr, Ingenieur für Umwelt- und Verfahrenstechnik in Dortmund, zweifelt diese Version an. „Haben Sie überall Messungen vorgenommen?“, will er wissen und stellt die zentrale, nach wie vor ungeklärte Frage zum Legionellen-Ausbruch: „Wie konnte es passieren, dass die Biologie in Warstein gekippt ist?“

Vor drei Jahren war Wissenschaftler Exner mit einem Legionellen-Ausbruch in Ulm beschäftigt. „Damals wurden nicht die notwendigen Schlussfolgerungen gezogen.“ Das sieht Umweltminister Remmel ähnlich. Er fordert eine Registrierungs- und Wartungspflicht für Klima- und Kühlanlagen und will eine Gesetzesinitiative in den Bundesrat bringen. Doch der Siegerländer sieht Fragezeichen, ob die Erkenntnisse, die in Warstein gewonnen werden, umgesetzt werden. „Ich bin gespannt, wie die Kollegen in anderen Bundesländern reagieren.“

Remmel findet insbesondere beim Arnsberger Regierungspräsidenten Dr. Gerd Bollermann offene Ohren. Der Behördenchef macht sich ebenfalls für eine Gesetzesinitiative stark und fordert eine wissenschaftliche Aufarbeitung des Gesamtkomplexes Warstein. „Ich habe viel über Krisenabläufe gelernt“, sagt er. Zum Beispiel, dass Offenheit und Ehrlichkeit in der Kommunikation unumgänglich sind.

Besorgte Besucher

„Die Kommunikation ist nicht gut gewesen“, bringt Christoph Schmitt-Nüse, Vorsitzender des Verkehrs- und Gewerbevereins Warstein, die Auffassung vieler Mitbürger auf den Punkt. Die Hintergründe der vom Krisenstab im Soester Kreishaus ausgesprochenen Reiseempfehlung, Besuche in der Stadt zu meiden, seien bei den Warsteinern nicht angekommen. Und man hätte der Bevölkerung konkrete Verhaltensregeln geben müssen. „Die Bürger wussten nicht, woran sie sind und was sie tun sollen.“ Noch immer treffe der Geschäftsmann täglich auf besorgte Besucher, die ihn fälschlich fragten, ob er immer noch unter Quarantäne stehe.

Landrätin Eva Irrgang mag die Kritik am - von anderen Beteiligten sehr gelobten - Krisenstab in ihrem Haus nicht stehen lassen. Sie legt Wert darauf, dass es keine Reisewarnung, sondern nur eine Reiseempfehlung gab. „Wir haben uns die Entscheidungen nicht leicht gemacht“, sagt die Landrätin und nennt die Sorge um Gäste von außerhalb, die sich bei einem Besuch in Warstein hätten infizieren können. Und beim Auftreten der Krankheitssymptome womöglich keinen Zusammenhang zum Legionellen-Ausbruch gezogen hätten. „Was wäre denn, wenn außerhalb von Warstein Todesfälle aufgetreten wären und Angehörige uns vorgeworfen hätten, nicht auf die Gefahr hingewiesen zu haben?“ Für den Krisenstab habe immer die Gesundheit von Menschen im Vordergrund gestanden. Diese stehe über wirtschaftlichen Erwägungen.

Geschäftsleute in Warstein müssen weiter mit finanziellen Einbußen leben. Der Kreis Soest will zusammen mit der Industrie- und Handelskammer in einer Veranstaltung Gewerbetreibenden Hilfen geben. Unter anderem, so Landrätin Irrgang, soll ein Experte für Imageförderung gewonnen werden.

„Das Ansehen unserer Stadt muss wieder besser werden“, sagt Warsteins Bürgermeister Gödde fast am Ende des von Stefan Hans Kläsener, André Schweins (Chefredaktion) und Redakteurin Anna Gemünd moderierten WP-Salons. Und erzählt noch von Warsteinern, die in einem Café einer Nachbarkommune nicht bedient wurden - „als hätten sie die Pest“. Die Legionellen-Krise hat Spuren hinterlassen. Gerade deshalb: „Wir müssen jetzt nach vorne schauen“, sagt Gödde.