Erndtebrück. . Aber die modernen Bauern wollen sich nicht als Übeltäter hinstellen lassen. Ein Besuch bei Lothar Menn in Erndtebrück.

Der Stolz überwiegt bei Lothar Menn. Auf den Hof, der bald 250 Jahre in Familienbesitz ist. Auf die Arbeit der vergangenen Jahrzehnte, der es zu verdanken ist, dass sein Sohn Heinrich, 28, vor einem Jahr übernommen hat. In neunter Generation. Aber es hat sich auch viel Ärger angesammelt beim 58-jährigen Milchbauern aus Erndtebrück, dem Kreislandwirt für Siegen-Wittgenstein. Über den Umgang von Politik und Medien mit den Bauern. Reden wir also darüber.

Den Bürgern macht Lothar Menn keine Vorwürfe: „Ich kann von 96 Prozent der Bevölkerung nicht erwarten, dass sie uns verstehen. Die waren noch nie im Stall.“ Aber deren romantisches Bild der Landwirtschaft, wie es in alten Kinderbüchern gezeichnet wird und wie die Werbung der Lebensmittelkonzerne es gerne beschwört, ist mitverantwortlich für vieles, was aus Sicht der Bauern falsch läuft: „Wir werden behandelt wie Verbrecher, die Böden zerstören, Wasser und Luft vergiften und Tiere quälen.“

Und dann noch die Vegetarier-Debatte. Berichte übers ungesunde Fleisch. Menn dazu: „Ich esse mehr Wurst und Fleisch als der Durchschnitt und viel mehr, als empfohlen wird. Und ich habe Blutwerte wie ein Neugeborener.“ Aber das ist eher ein Scherz.

Ernsthafter ist seine Empörung über den Begriff der Agrarwende: „Das heißt doch, die Bauern machen alles falsch, und das müssen wir jetzt ändern.“ Oder das „schlimme Wort Massentierhaltung. Wenn ich das verwende, muss ich es definieren: Bin ich mit 150 Milchkühen und 100 Kälbern ein Massentierhalter? Entscheidend sind die Haltungsbedingungen, das Verhältnis von Tierzahl und Fläche.“

100 Hektar Grünland hat die Familie Menn. Und 23 Hektar Forst. Vor 50 Jahren standen auf dem Hof 20 Kühe. Dazu Hühner, Schweine und Pferde. Es wurden verschiedene Getreidesorten angebaut, Rüben und Kartoffeln. Im Backhaus entstand das eigene Brot, aus Johannisbeeren eigener Wein, aus der Milch eigene Butter. „Wir waren praktisch Selbstversorger“, sagt Menn. Wie im Bilderbuch. „Aber diese Höfe gibt es nicht mehr. Heute muss man sich spezialisieren: Jeder macht, was er am besten kann.“

Von 3000 auf 9000 Liter pro Kuh

In der Mittelgebirgsregion Wittgenstein bringt Getreide nur halb so viel Ertrag wie in der Soester Börde. Kartoffeln würden wachsen, aber die steinigen Böden machen zu viel Arbeit. Und es ist kaum möglich, Experte für mehr als eine Tierart zu sein. „Bis Mitte der 60er Jahre haben wir kein Getreide zugekauft“, erinnert sich Menn. „Aber damals gab eine Kuh 3000 Liter Milch im Jahr, heute sind es 9000.“

Und: Im Dezember 1989 gab es eine Mark für einen Liter Milch. Jetzt sind es 36 Cent. Immer noch besser als der Tiefststand: 23. Menn jammert nicht. Aber er stellt sich dem Markt: „Wir nehmen an der Globalisierung teil. Die Milchproduktion in Neuseeland hat Einfluss auf uns.“ Deshalb kann er nicht mehr arbeiten wie früher. Deshalb können Hofläden nur eine Nische sein. „Wir können nicht wieder zurück“, sagt er. Inzwischen kommt selbst das Stroh aus Magdeburg.

Auflagen und Strukturwandel

Lothar Menn wäre glücklich, wenn es die kleine Molkerei in der Nachbarschaft noch gäbe. Aber es funktioniert nicht. Wie bei den beiden Metzgern, die das Schlachten aufgegeben haben: „Die Vorschriften kommen zu teuer.“ Und da ist er wieder bei der Politik: „Wer kann sich die Vielzahl von Auflagen leisten? Das schaffen nur große Betriebe. Das beschleunigt den Strukturwandel. Und ist das Gegenteil von dem, was Umweltpolitiker anstreben.“

Menn ist mit der Entwicklung seines Betriebs zufrieden. das heißt nicht, dass er immer alles richtig gemacht hat. Den alten Kuhstall mit Spaltenböden ohne Stroh und Liegeboxen würde er nicht wieder bauen. Damals wusste er es nicht besser. Dass es vorteilhafter ist, wenn die Tiere mehr Luft und Licht haben, dass sie gesünder sind, wenn sie sich wohler fühlen, hat er im Lauf der Zeit festgestellt und im neuen Stall berücksichtigt. Mehr als eine Million Euro hat der gekostet. In 24 Jahren ist er abgeschrieben. „Da können wir nicht alle paar Jahre alles ändern. Wir brauchen Planungssicherheit.“

An Verbesserungen werde immer gearbeitet. Bei der Tierhaltung, der Düngung, beim Pflanzenschutz. Menn sieht viele Fortschritte und Erfolge: „Die Gewässer sind sauberer geworden. Und die Kollegen spritzen nicht deshalb, weil sie so gerne mit dem Traktor übers Feld fahren.“ Der 58-Jährige betont, er habe nie investiert, um reich zu werden: „Der Hof sollte nur die Familie ernähren.“ Und das gelte auch für die Zukunft: „Ich finde meine Heimat so schön, dass ich sie intakt erhalten möchte, damit auch künftige Generationen hier arbeiten können. Und so sehen das 99 Prozent der Kollegen.“