Lichtenau-Dalheim. . Zwischen Teufelszeug und Gotteslob: Das Museum Kloster Dalheim erzählt in einer großen Ausstellung von der Kulturgeschichte des Spiels im Kloster. Selbst Schwertkämpfe waren unter Nonnen verbreitet. Und beim “Kindelwiegen“ diente das Spiel mit Jesus-Figuren der Kontemplation.

Teufelswerk und Tugend zugleich: Der spielende Mönch bringt die Kirchenväter in Gewissensnöte. Für den Heiligen Benedikt ist Müßiggang der Feind der Seele. Thomas von Aquin dagegen fordert, „der Mensch muss spielen, wenn er menschlich leben möchte“. Rund um das Spannungsfeld von himmlischer Ausrichtung und irdischen Bedürfnissen zeigt das Museum Kloster Dalheim jetzt die ebenso große wie großartige Ausstellung „Heiter bis göttlich. Die Kultur des Spiels im Kloster“.

Der würfelnde Bruder

Der Abt, der den Klosterbesitz verkartet, ist ein gängiges spätmittelalterliches Klischee, das die Reformation noch verstärkt. Das hat sich bis heute in dem Ausdruck „Messe singen“ für das Würfeln erhalten. Diese Auswüchse der monastischen Lebensweise sind aber nur ein Negativ-Beispiel. Denn auf der anderen Seite ist etwa das Tennisspiel im Kloster erfunden worden. Eine Mönchsmannschaft versucht, den Ball an einer anderen vorbei durch einen Rundbogen des Kreuzgangs zu werfen. Der Ausruf „Tenez“ (Haltet) stand Pate für den Namen der Sportart.

In drei Abteilungen schildert das Museum mit einer Fülle von teils kostbaren Exponaten und in einer interaktiven Ausstellungsarchitektur die Aspekte des Spielens mit Tonsur und in Klausur. „Spiel und Kloster: Das widerspricht sich auf den ersten Blick“, erläutert Kuratorin Dr. Helga Fabritius. „Auf der einen Seite spricht die Strenge der Klosterregeln dagegen, auf der anderen Seite ist das Spielen heute ausschließlich mit Rekreation und Freizeit verbunden.“ Doch archäologische Funde, Gemälde und schriftliche Zeugnisse belegen, dass seit der Gründung der Orden in den Klöstern gespielt wurde. Und die Spielregeln sind weit zu fassen, denn es geht um Erholung und Transzendenz gleichermaßen.

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Das liegt nicht nur daran, dass bis zum Barockzeitalter hinter den Klostermauern zahlreiche Kinder aufwachsen, die sogenannten ­Oblaten, die von ihren Eltern den Konventen „geschenkt“ und zu ­Ordensleuten erzogen werden. Körperliche Ertüchtigung wird mit dem Ball gepflegt und bei Schwertkämpfen. Das „Walpurgis ­Fechtbuch“ vom Anfang des 14. Jahrhunderts zeigt die Heilige Walpurga, eine Benediktineräbtissin aus dem 8. Jahrhundert, wie sie höchstpersönlich einem Mönch die entscheidenden Kniffe beibringt.

Zwischen Kreuzgang und Kapitelsaal werden auch Spiele erfunden, vor allem Rätsel- und Rechenaufgaben, mit denen sich Novizen und Brüder biblische Inhalte erschließen können.

Das Spielen hat zudem eine spirituelle Dimension. So ist aus Nonnenklöstern der Brauch des Kindelwiegens überliefert. Daneben kümmern sich die Schwestern in der Weihnachtszeit mütterlich um kleine Jesusfiguren. Das ist kein Rückfall erwachsener Frauen in infantile Verhaltensmuster, sondern ein Mittel der Kontemplation und Andacht.

Tanz im Labyrinth

Im Zusammenhang mit den großen und geheimnisvollen Labyrinthen in den Kathedralen von Chartres und Sens ist die Tradition des liturgischen Ballspiels und Tanzens überliefert – als ein Weg zu Gott. Und mit der Gegenreformation gewinnt das Jesuitentheater an Bedeutung, das sich schnell verbreitet. Musik darf im Kloster nicht fehlen, zur Verherrlichung Gottes und zur Entspannung.

Erst in unserem Jahrhundert kommt ein weiterer Aspekt hinzu: In diesem Kapitel sind Nonnen und Mönche keine Spieler, sie werden zum Thema von Spielen. Gerade im Fantasy-Bereich ist der ganze Motivkomplex „Kloster“ ungebrochen beliebt, das belegen unzählige Brett- und Computerspiele.

Spirituelle Spiele im Kloster

Fotografischer Rundgang durch das Kloster Dalheim bei Paderborn. Thema der Sonderaustellung ist die Kultur des Spiels. Foto:Ralf Rottmann / WAZ FotoPool
Fotografischer Rundgang durch das Kloster Dalheim bei Paderborn. Thema der Sonderaustellung ist die Kultur des Spiels. Foto:Ralf Rottmann / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool/ Ralf Rottmann
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Selbst Spielen ist gewünscht

Die Mittelalter-Szene kleidet sich in Mönchskutten und Nonnenschleier. Es gibt Puppenstuben, die Klosterzellen von Nonnen darstellen und Scherzartikel wie die Badeente Stephanie. Außerdem erfährt der Besucher, dass weltweit eine rege Sammelpraxis für Nonnenpuppen existiert; in den USA gibt es sogar ein Nonnenpuppen-Museum.

Es ist eine faszinierende Welt, die sich in „Heiter bis göttlich“ erschließt. Doch die Gäste sollen die Ausstellung nicht nur passiv betrachten. Helga Fabritius: „Es darf natürlich selbst gespielt werden.“ In den Parkanlagen sind signalrote Spielstationen aufgebaut. Da kann sich der Besucher bei Bodenschach und Boule fühlen wie einstmals Bruder Tuck.