Düsseldorf. .

Es kommt nicht alle Tage vor, dass gleich vier Landesminister ein gemeinsames Protestschreiben verfassen. In dieser Woche jedoch haben sich Johannes Remmel (Umwelt), Garrelt Duin (Wirtschaft), Ralf Jäger (Innen) und Angelica Schwall-Düren (Europa) in einen Briefkopf gedrängt, um vor Gefahren für eine gesunde und günstige Trinkwasserversorgung zu warnen.

Appell an alle NRW-Minister

Die rot-grünen Minister appellieren an alle NRW- Abgeordneten im Europaparlament, sich gegen eine EU-Richtlinie zur Liberalisierung des Wassermarktes zu stemmen.

„Wasser darf kein Renditemodell werden“, erklärt ein Sprecher von Umweltminister Remmel. Auffallend ähnlich klingt ausnahmsweise die europapolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion, Ilka von Boeselager: „Trinkwasser ist keine Handelsware. Es ist eine unverzichtbare Lebensgrundlage und daher zu Recht fester Bestandteil der kommunalen Daseinsvorsorge.“ Ob NRW mit dieser überparteilichen Position in Brüssel Gehör findet, ist jedoch zweifelhaft.

Nach gut einjähriger Debatte hatte sich Ende Januar der EU-Binnenmarktausschuss gegen die Stimmen aller deutschen Parlamentarier auf eine Öffnung des Wassermarktes verständigt. Städte müssten demnach ihre Trinkwasserversorgung künftig europaweit ausschreiben, sofern sich diese nicht zu 100 Prozent in öffentlicher Hand befindet, sie einen Gesamtwert von acht Millionen Euro überschreitet und auf andere Kommunen ausgedehnt ist. Bis Mitte des Jahres müssen noch Europaparlament und Ministerrat zustimmen. Nach Einschätzung der Landesregierung würde spätestens nach der beabsichtigten Übergangsfrist ab 2020 jede zweite NRW-Stadt gezwungen, die Wasserversorgung europaweit ausschreiben. Viele Stadtwerke hätten private Anteilseigner und erledigten das Wassergeschäft für mehrere Gemeinden.

Der Qualitätsstandard könne „nur mit einer kommunalen, nicht vorrangig an Gewinnmaximierung orientierten Wasserversorgung gewahrt werden“, warnen die vier NRW-Minister. Wird das Trinkwasser künftig also schlechter und teurer? Zumindest sieht die Landesregierung das zwischen Rhein und Weser etablierte „Multibarrierensystem“ zur Wasseraufbereitung in Gefahr. Aufwendige Vorsorge durch Wasserschutzmaßnahmen oder freiwillige Selbstverpflichtungen bei modernsten Filtersystemen passten nicht zu privatem Profitstreben. 60 Prozent des Trinkwassers in NRW wird in komplexen Verfahren aus Oberflächengewässern gewonnen, allein die Ruhr versorgt vier Millionen Menschen. Als mahnendes Beispiel gilt die Teilprivatisierung der Berliner Wasserversorgung, die zu höheren Preisen führte.

Hoffnung auf Vermittlungsverfahren

Schon wird befürchtet,es könnte demnächst wie in anderen Ländern nach Chlor stinken, sobald man den Wasserhahn aufdreht. Die Landesregierung hofft noch, dass sich die Abschottung der deutschen Wasserkonzessionen vor dem EU-Zugriff retten lässt. Die Europaabgeordneten aus NRW sollen sich heute für einen „Trilog“ einsetzen, eine Art Vermittlungsverfahren zwischen Mitgliedsstaaten, EU-Parlament und Kommission . In Brüssel gibt man dem Anliegen jedoch keine Chance, da die Richtlinie ausverhandelt sei und die beiden übrigen großen Mitgliedsstaaten Frankreich und Großbritannien mit ihren marktstarken Wasserkonzernen völlig andere Interessen verfolgten.