Hagen/Arnsberg. . Ein Bundes-Sonderprogramm will junge Leute aus südeuropäischen Krisenländern nach Deutschland locken. Die Wirtschaft und Politik in Südwestfalen zeigen sich skeptisch.
Der Titel hört sich sperrig an: „Förderung der beruflichen Mobilität von ausbildungsinteressierten Jugendlichen und arbeitslosen jungen Fachkräften aus Europa“ - ein Sonderprogramm des Bundes. Übersetzt heißt das: Mit einem Kostenaufwand von knapp 140 Millionen Euro wird seit Januar jungen Leuten aus südeuropäischen Krisenländern wie Spanien, Griechenland oder Portugal eine Ausbildung oder ein Arbeitsplatz in schwer vermittelbaren Berufen in Deutschland schmackhaft gemacht.
Zu teuer, zu bürokratisch, zu ungerecht, bestenfalls eine Ergänzung, meinen Vertreter von Wirtschaft und Politik aus der Region Südwestfalen. „Nutzen pfiffige junge Leute und Betriebe alle Alimentationen des Staates aus, kann das an sich wünschenswerte Vorhaben, jungen Leuten aus Südeuropa in der Bundesrepublik eine Lehrstelle zu vermitteln, leicht bei 30.000 Euro pro Kopf landen“, kritisiert Klaus Gräbener, Geschäftsführer Aus- und Weiterbildung bei der Industrie- und Handelskammer Siegen.
Viele Förderposten
Und er addiert die Förderposten: Unter anderem Deutschkurse im Herkunftsland: 1700 Euro, Anreisekostenpauschale für das Bewerbungsgespräch: 300 Euro, weiterer Deutschkurs zur Vorbereitung des vorgeschalteten Praktikums: 1000 Euro, das Praktikum begleitender Sprachkurs: 1000 Euro, weitere Sprachkurse nach Abschluss eines Lehrvertrags: 5400 Euro, Lehre selbst: 818 Euro monatlich.
„So wichtig es ist, den Jugendlichen aus den südeuropäischen Ländern zu helfen, so notwendig ist es, gleichzeitig die 300.000 jungen Leute im Übergangsbereich nicht zu vergessen. Über 80 Prozent von ihnen haben einen Schulabschluss und können nicht als ausbildungsunfähig deklassiert werden“ ergänzt der Siegener Bundestagsabgeordnete und Bildungspolitiker Willi Brase (SPD) in einem Interview.
„Das hilft nicht sonderlich weiter“
Und Meinolf Niemand, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Südwestfalen in Arnsberg, sagt: „Wir meinen, dass das Programm uns nicht sonderlich weiterhilft. Wir haben in Deutschland genug Potenzial an Jugendlichen brachliegen.“ Nach Niemands Ansicht könnte man mit dem Geld auch leistungsschwache junge Leute fördern und sie ausbildungsfähig machen. Das deutsche Schulsystem produziere nach wie vor Zehntausende junger Menschen, „die keinen Schulabschluss schaffen und deren Perspektive vielfach aus Hartz IV besteht“, moniert Klaus Gräbener. Der Finanzbedarf von zwei Mobipro-Jugendlichen aus Andalusien reiche aus, um einen Schul-Sozialarbeiter an einer Brennpunktschule ein Jahr lang zu beschäftigen.
Dabei war doch alles nur gut gemeint. „Wir Deutsche haben inzwischen tausende Ausbildungsplätze, für die sich keine inländischen Bewerber finden. Wenn unseren Unternehmen der Fachkräftenachwuchs ausgeht, kann die Wirtschaft ernsthaft ins Stocken kommen. Geben wir jungen, arbeitslosen Europäern auf dem deutschen Arbeitsmarkt eine Perspektive“, appellierte Arbeitsministerin von der Leyen.
Sowohl als auch
Angesichts des künftigen Fachkräftebedarfs plädiert Peter Frese, Leiter des Fachbereichs Ausbildung bei der SIHK zu Hagen, für ein Sowohl-als-auch. „Wir können es uns nicht leisten, die jungen Leute, die wir haben, nicht mitzunehmen. Andererseits brauchen wir eine gewisse Zuwanderung, sonst bekommen wir unsere Produkte und Dienstleistungen nicht mehr hergestellt.“ Hinsichtlich der Akzeptanz zeigte sich Frese skeptisch: „Spanier etwa haben eine ganz andere familiäre Bindung. Das wird keine große Welle.“