Hagen/Soest. . Die Stadt Soest will etwa 200 Saatkrähenpaare zum Umzug an einen geeigneteren Standort bewegen, damit die Bürger wieder zur Ruhe kommen können. Denn die Vögel sind nicht gerade leise. Viele Soester werden morgens von den Krähen geweckt - im Sommer bereits ab 4 Uhr morgens.

Die Zwangsräumung wurde am frühen Morgen vollstreckt: Um 8 Uhr rückten die Baumkletterer gestern am Soester Clarenbachpark an, schnitten dort 80 Krähennester aus den Bäumen heraus. Etwa 20 davon werden nun versetzt - in die Baumkronen auf einem etwa 1,5 Kilometer entfernten Bahn Gelände. In der Hoffnung, dass die Saatkrähen ihren Nestern dorthin folgen. Um den Bürgern ihre Ruhe zurückzugeben, setzt die Stadt Soest nun auf ein in Deutschland neues Verfahren.

Saatkrähen stehen unter Artenschutz, weil sie längst selten geworden sind. In Soest allerdings wurden bereits im Jahr 2010 etwa 1000 Brutpaare gezählt. Mehr als 200 Paare hat Annette Haverland im vergangenen Jahr allein im Clarenbachpark gezählt, also in unmittelbarer Nähe ihres Wohngebietes. 200 Paare also auf einer Fläche von etwa 2 Hektar, so die Mitbegründerin der Initiative „Krähen zurück in die Börde“. Mehr als 200 Paare mit 3,8 Jungen im Durchschnitt.

Lärmgrenzwerte überschritten

200 Familien, die im Sommer ab 4 Uhr morgens mit den ersten Sonnenstrahlen munter sind. Als das Umweltamt im Jahr 2006 Schallmessungen durchführte, da seien die zulässigen Grenzwerte um 4.30 Uhr überschritten worden, berichtet Karl-Josef Meier, ebenfalls von der Initiative „Krähen zurück in die Börde“. Damals allerdings gab es nur 94 Horste auf dem Gelände, mittlerweile sind es doppelt so viele. „Jeder Industriebetrieb würde bei einer solchen Lautstärke sofort geschossen“, so Karl-Josef Meier.

Nun hat sich die Stadt Soest in den vergangenen Jahren durchaus darum bemüht, gegen die „Ruhestörer“ vorzugehen. Mit Laserpointern wollte sie die Tiere „vergrämen“, also verscheuchen - ohne Erfolg. Auch habe man versucht, die Nester zu entfernen und die Vögel so zu vertreiben. Doch die Tiere kehrten umso zahlreicher zurück, vermutlich weil sie andernorts durch den Einsatz einer Böllerschussanlage verjagt wurden, wie Henning Vierhaus vom Arbeitskreis Biologischer Umweltschutz im Kreis Soest (ABU) erklärt.

18 Stunden Dauerbeschallung

Seitdem sei morgens ab 4.30 Uhr und abends von 23 Uhr an Schlaf kaum noch zu denken, so Karl-Josef Meier. Wer zum Beispiel zur Frühschicht zeitig aufstehen müsse, der komme abends viel zu spät zur Ruhe. „18 Stunden Dauerbeschallung - das zehrt an den Nerven“, sagt Meier und erzählt, dass manche Nachbarn aufgrund des Schlafmangels unter psychosomatischen Störungen litten. Nicht einmal am Wochenende käme man zur Ruhe. Hinzu komme im Sommer noch der Ärger über den Vogelkot auf der Kaffeetafel im Garten, im Bierglas, in der Cappuccinotasse, auf der Wäsche.

Daher wendet die Stadt Soest in diesem Jahr nun ein neues Verfahren an, damit die Anwohner am Clarenbach ihre Ruhe finden, die Saatkrähen aber nicht andernorts an einer ebenso ungünstigen Stelle wieder auftauchen. So hat die Stadt den holländischen Biologen Diederik van Liere bereits im vergangenen Jahr damit beauftragt, die Saatkrähenkolonie zu beobachten - und eine Lösung zu finden. Die Krähen sollen also nicht mehr einfach verschreckt und vertrieben werden. Stattdessen hat der Biologe in 1,5 Kilometern Entfernung auf einem Bahngelände ein Plätzchen für sie gefunden, wo sie die vom Clarenbach gewohnten Baumsorten und das gewohnte Nistmaterial finden. Nur dann werde der neue Platz von den Tieren angenommen, schreibt der Niederländer in seinem Gutachten.

Drei Jahre lang werden die Nistplätze am Clarenbach jeweils bis Mitte April kontrolliert. 7000 Euro kostet die Umsiedlung pro Jahr.