Wickede. Zu Silvester kommt die große Stunde des Karpfens. Der Speisefisch ist ein beliebtes Silvestergericht. Doch das Tier hat ein Imageproblem: Der Fisch schmecke moderig, so die Kritik. Dem widerspricht Frank Baumüller vom Fischhof Baumüller in Wickede-Wiehagen.

Er ist im Jahresverlauf der Lebensmittelbranche ein kleiner Fisch. Erst Ende Dezember kommt die große Stunde des „Dicken“: Denn der Karpfen ist ein typisches Silvestergericht.

Frank Baumüller holt einen besonders kugeligen Spiegelkarpfen aus dem Wasser. Unverkennbar ist der dicke Bauch, das Markenzeichen des Süßwasserfischs - „was ihn in den Augen des 44 Jahre alten Fischhändlers aus Wickede-Wiehagen so „sympathisch und kumpelhaft“ macht.

Es ist idyllisch im kleinen Strullbachtal, dort wo sich Fisch und ­Hase gute Nacht sagen und wo der „Fischhof Baumüller“ seit mehr als 40 Jahren die im Wasser lebenden Tiere verkauft. Der Familien­betrieb wurde vom Branchenheft der Fischwirtschaft, dem „Fisch-Magazin“, zum besten Direktvermarkter Deutschlands gewählt. Vor Weihnachten und Silvester läuft das Karpfen-Geschäft, ansonsten stagniert der Absatz. „Und er wird es irgendwann noch schwerer haben.“

Der Karpfen ist kein Fast-Food-Essen

Man könnte von einem Imageproblem sprechen. „Der Karpfen ist nicht sehr verbraucherfreundlich“, sagt Frank Baumüller und erzählt von dem „Problem mit den Y-Gräten“. Das Tier ist von Kopf bis Schwanz mit spitzen Gräten durchzogen. Und Mensch will am Essenstisch so wenig Aufwand wie nötig haben. „Der Karpfen ist beileibe kein Fast-Food-Essen“, so der 44-jährige Hofchef.

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Von Timo Ziomkowski

Also bereiten Baumüller und sein Team den Fisch „verbraucherfreundlich“ zu. Was das bedeutet, sieht man an den Preislisten im Arbeitsraum: „Abgeschlagen: 7,50 Euro/Kilogramm; Ausgenommen: 8,50 Euro/kg; Ausgenommen ohne Kopf: 12,50 Euro/kg; Filetiert: 19,50 Euro/kg.“ Die Preise sind in diesem Jahr stabil geblieben.

Frank Baumüller macht den Karpfen zu einer Delikatesse 

Frank Baumüller ist ein treuer Verfechter des Karpfens. „Man tut ihm Unrecht.“ Das weiße Fleisch sei saftig, weich und wohlschmeckend, alles andere als fettreich. Das findet in der öffentlichen Meinung nicht unbedingt Niederschlag. Da ist oft von einem moderigen Geschmack die Rede. Ein Überbleibsel aus längst vergangenen Zeiten, wie der Fischhändler aus Wiehagen findet. Als das Silvestertier noch in der Badewanne schwamm. „Vertrauensvolle Fischhändler achten darauf, dass der Karpfen vor dem Verkauf ausreichend gewässert ist.“

Das unterstreicht auch Thomas Rameil von der „Sauerländer Forellenzucht“ aus Lennestadt-Gleierbrück, der den Fischhof Baumüller regelmäßig beliefert. Er ist gerade vorgefahren und bekommt die Delikatesse-oder-nicht-Delikatesse-Diskussion mit. „Es ist richtig, dass der Karpfen im Boden gründelt und im Schlamm nach Nahrung sucht.“ Aber gerade deshalb kommt der zum Verkauf vorgesehene, dreijährige Speisefisch (Fachsprache: drei Sommer gewachsen) bei ihm mindestens vier Wochen in Quellwasser - damit er den „mooseligen Geschmack verliert“. Eine gute Wasserqualität ist eben alles.

Der Karpfen kommt vor der Auslieferung auf den Teller

Die größte Nachfrage erlebt er in den Monaten November und Dezember, erzählt Rameil. Mindestens einmal vor der Auslieferung kommt der Karpfen bei dem Sauerländer auf den Teller. „Ich muss doch testen, ob er gut ist oder nicht.“ Wie er ihn zubereitet? „Bei uns wird er in der Pfanne gebraten.“ Mit welchen Gewürzen? „Das macht meine Frau.“

Frank Baumüller schneidet Karpfenfilets in kleine Streifen, brät diese in der Pfanne oder in der Fritteuse, würzt mit Pfeffer und Salz und serviert die heiße Speise mit Knoblauchsauce. „Aber jede Familie hat eine andere Karpfenphilosophie.“

Früher wurde der Karpfen tellergroß von Mönchen gezüchtet

Der Fischhof-Chef hat so manche Anekdote über den „Dicken“ auf Lager. Die große Form erkläre sich womöglich aus den Züchtungen fränkischer Mönche. „Die durften damals nur so viel essen, wie auf einen Teller passte. Also wurde der Karpfen tellergroß gezüchtet.“

Oder der Aberglaube zu Silvester. Frank Baumüller: „Es heißt, wenn man eine Karpfenschuppe ins Portemonnaie legt, wird der Geldbeutel das ganze Jahr über gefüllt sein.“ Dann wäre der Karpfen wahrlich ein toller Hecht.