Hagen. . Die Hagener Philharmoniker und der Philharmonische Chor interpretieren das Brahms-„Requiem“ als leidenschaftliche Bekenntnismusik. Es geht um die letzten Dinge, um die Erkenntnis der Vergänglichkeit, die Frage, was nach dem Tod kommt und die Hoffnung, dass es Trost für die Trauernden geben möge.
Die Stadt Hagen produziert häufig Negativschlagzeilen. Nur nicht, wenn es um Kultur geht. Wie leistungsfähig die Hagener Philharmoniker sind, hat jetzt die tief ergreifende Interpretation des „Deutschen Requiems“ von Johannes Brahms gezeigt. Der Philharmonische Chor und der Opernchor haben mit den Musikern unter der Leitung von Florian Ludwig am Beispiel des erschütternden Werks demonstriert, warum man Theater, Orchester braucht: zur Bewahrung und Vergewisserung von abendländischen Werten in einer überkommerzialisierten Zeit.
Florian Ludwig, der Kirchenmusikersohn, findet einen unglaublich spannenden Zugang zu der Partitur, der weder frömmelnd ist noch überintellektuell, sondern die Musik mit inniger Leidenschaft als Bekenntnis auslotet. Es geht um die letzten Dinge, um die Erkenntnis der Vergänglichkeit, die bange Frage, was nach dem Tod kommt und die Hoffnung, dass es Trost für die Trauernden geben möge.
Großartige Solisten
Ludwig arbeitet heraus, wie Brahms sein Meisterwerk mit dunklen Farben grundiert, wie unerklärlich und geheimnisvoll die harmonischen Aufhellungen plötzlich auftreten. Strahlenden Trompetenjubel gibt es erst in der großen Fuge des sechsten Teils, wenn „Der Tod ist verschlungen in den Sieg“.
Ebenso wie das hoch motivierte Orchester stilistisch elegant zwischen strenger Kontrapunktik und romantischer Gefühlstiefe wechselt, beherrscht auch der wunderbare Chor ein breites Repertoire von Ausdrucksmöglichkeiten. Ludwig achtet besonders darauf, dass die Dynamik immer kultiviert der Aussage entspricht.
Starbesetzung aus den USA
Die Solisten sind Starbesetzung: Die junge Amerikanerin Jaclyn Bermudez, Hagens vielversprechende neue Sopranhoffnung, gestaltet mit strahlender Höhe und konzentrierter Bewegtheit das „Ihr habt nun Traurigkeit“. Stefan Adam, der große Bariton, hat bereits als Student sein erstes Engagement am Theater Hagen erhalten, dem er sich, obgleich er längst an der Staatsoper Hannover singt, nach wie vor als musikalischer Heimat verbunden fühlt. Adam kann Texte unvergleichlich beseelt mit Gehalt füllen, das wird auch in den „Vier ernsten Gesängen“ deutlich, die das Sinfoniekonzert-Programm in der Stadthalle eröffnen.
Jeder Arbeitstag eine Nervenzerreißprobe
Für den Maestro und seine Musiker ist derzeit jeder Arbeitstag eine Nervenzerreißprobe, da das Theater wegen der Haushaltskrise der Stadt Hagen ohne langwieriges Genehmigungsverfahren keine Aushilfen mehr einstellen darf. Wenn einer krank wird, sind die Aufführungen in Gefahr. In dieser schwierigen Situation erweist sich Florian Ludwig als Glücksfall für Hagen, denn der Generalmusikdirektor ist nicht nur ein engagierter und höchst ideenreicher Musiker, er hat vor allem die Gabe, sich nicht leicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Entsprechend appelliert er am Schluss an die Besucher: „Zu unseren Zielen muss gehören, dass diese Stadt ihre Identität behält, dass ihr nicht das Herz herausgerissen wird. Dazu gehört das Bewahren der großartigen und einzigartigen kulturellen Tradition, die Hagen auszeichnet.“