Hagen. Die Bundesagentur für Arbeit hat neueste Zahlen zur Gehaltsstruktur im Gast- und Hotelgewerbe vorgelegt. Fazit: die 400-Euro-Jobs nehmen zu, auch in Südwestfalen.
Viele Beschäftigte im Gast- und Hotelgewerbe verdienen wenig Geld mit ihrer Arbeit. Weit über die Hälfte der Beschäftigten in Südwestfalen arbeitet im Teilzeit- oder im Niedrig-Lohn-Bereich, den sogenannten 400-Euro-Jobs. Das geht aus Zahlen der Bundesagentur für Arbeit hervor, die sie auf Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Jutta Krellmann vorlegte.
„Es ist in der Tat so, dass immer weniger in Vollzeit arbeiten“, sagt Helge Adolphs von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Es sei sehr auffällig, dass die Betriebe immer mehr Menschen als Teilzeitkräfte oder Mini-Jobber anstellen. „Sie nehmen lieber fünf 400-Euro-Kräfte als einen Menschen in Vollzeit“, sagt er.
Der deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) streitet nicht ab, dass dies in den Betrieben, die er vertritt, gängige Praxis ist. Allerdings sei dies den besonderen Bedingungen der Branche geschuldet: „Hotels und Gaststätten müssen sehr flexibel sein, weil sie ihr Geschäft zu bestimmten Zeiten machen“, sagt Lars Martin, Dehoga-Geschäftsführer in Südwestfalen. Den meisten Umsatz macht die Branche seinen Angaben zufolge zu bestimmten Stoßzeiten oder nur während einer kurzen Saison. In den Hotels in der Region übernachteten außerhalb der Ferienzeit die meisten Gäste beispielsweise unter der Woche, weil es Geschäftsreisende sind. An den Wochenenden seien daher viele Zimmer nicht belegt. Das beträfe vor allem Putzfrauen und die Servicekräfte, die sich um das Frühstücksbüfett kümmern.
Die Restaurants und Gaststätten haben die meisten Gäste an den Wochenenden, womit sie während dieser Tage besonders viel Personal benötigen. Unter der Woche kommen sie insbesondere im Service mit weniger aus. „Das erklärt, warum nicht alle Positionen mit Vollzeitkräften besetzen werden können“, sagt Lars Martin.
Es ist aber aus Sicht der NGG durchaus möglich, über Arbeitszeitkonten mehr Menschen in Vollzeit zu beschäftigen. So könnten die Betriebe ihre Mitarbeiter verstärkt zu den Stoßzeiten einsetzen. Die anfallenden Überstunden müssten sie dann abbauen, wenn weniger Arbeit anfällt.
Keine abgeschlossene Berufsausbildung
Ein anderer Grund, den die Dehoga nennt, sei die geringe Qualifizierung, die im Gastgewerbe nach Ansicht des Verbandes vorherrscht. Viele Mitarbeiter hätten keine abgeschlossene Berufsausbildung oder verdienten sich als Schüler oder Studenten etwas im Nebenjob dazu.
„Die 400-Euro-Jobs sind vor allem von Frauen besetzt, die etwas dazu verdienen wollen, um mit ihrer Familie über die Runden zu kommen“, sagt hingegen Helge Adolphs. Es seien häufig alleinerziehende Mütter, die mit der Arbeit ihr monatliches Einkommen verbessern wollen. „Die Zeiten, in denen solche Jobs ein nettes Zubrot waren, sind vorbei“, stellt der NGG-Geschäftsführer fest.
Daher sei das Problem der hohen Zahl von Beschäftigten im Teilzeit- und Niedriglohnbereich eine zweischneidige Sache. Zum einen könnten durch weniger 400-Euro-Jobs mehr Vollzeitstellen geschaffen werden, so Helge Adolphs. Aber auf der anderen Seite gäbe es viele Menschen, die auf solche Stellen angewiesen seien, um sich etwas dazuzuverdienen. Sie seien gar nicht auf der Suche nach einer Vollzeitarbeit.
Mindestlohn gefragt
Die Zahlen zeigten jedenfalls, dass es wichtig sei, dass zukünftig ein Mindestlohn eingeführt wird. Mit dem neuen Tarifvertrag zwischen der Dehoga und der NGG, der seit dem 12. Juni 2012 in Kraft ist, ist dieser auf 8,50 Euro pro Stunde festgelegt. Das ist die unterste Tarifgruppe. Er greift ab dem 1. September 2013 und betrifft nur Betriebe, die der Dehoga angeschlossen sind, bzw. deren Mitarbeiter gleichzeitig in der NGG organisiert sind.
Wie hoch die Zahl der Betriebe in Südwestfalen ist, die nicht an den Tarifvertrag gebunden sind, konnte Adolphs nicht sagen. Für sie könnte der Mindestlohn von 8,50 Euro aber gelten, falls die Landesregierung beschließt, ihn als allgemeinverbindlich zu erklären. Diesbezüglich laufen bei den Verbänden bereits Gespräche, aber vor Ende 2013 sei nicht zu erwarten, dass ein Mindestlohn für das Gaststättengewerbe eingeführt wird.