Hagen. . Die Zahl der Privatschulen hat in NRW einen neuen Rekord erreicht. Zu Besuch in der HagenSchule.
Von Hochnäsigkeit keine Spur, trotzdem passt das Bild von Erstklässlern einer Hagener Privatschule, die sich vor ihrer Klasse auf die nächste Unterrichtseinheit vorbereiten: In Zweierreihe marschieren sie hinter ihrer Klassenlehrerin her. „Seid stolz wie Könige“, sagt die Pädagogin. Sofort recken sich kleine Nasen Richtung Himmel. Eine Momentaufnahme, die beeindruckt, gleichzeitig aber Fragen aufwirft.
Mit elitären Attitüden habe das nichts zu tun, berichtet Alexander Flieger, Vorstand des Fördervereins der HagenSchule, die vor kurzem erstmals ihre Tore geöffnet hat. Der 41-jährige Unternehmensberater weist vehement den Status einer privilegierten Schule für Reiche von sich. „Ganz im Gegenteil, bei uns werden auch Schüler aus sozial schwachen Elternhäusern gefördert.“ Der Boom der Privatschulen spreche aber für sich.
Tatsächlich gibt es im neuen Schuljahr 2012/2013 in NRW erstmals mehr als 500 Privatschulen. Das sind 22 mehr als im Vorjahr. „Noch viel mehr Eltern würden ihre Kinder auf eine Privatschule schicken, wenn die Beiträge geringer ausfallen würden“, berichtet Petra Witt, Vorsitzende des Verbandes Deutscher Privatschulen.
Alexander Flieger kann dem nur zustimmen. Er kennt die Gründe: „Da spielen das Pisa-Fiasko und das Reformchaos eine Rolle.“
Traumhafte Zahlen
Die ökumenisch ausgerichtete HagenSchule kann mit für Regelschulen traumhaften Zahlen aufwarten: 15 Lehrer kümmern sich um nur 42 Schüler. In zwei Klassen. Grund und Realschule sollen bald ineinander übergehen.
„Unser Vorteil ist es, dass die Schüler von der ersten bis zur zehnten Klasse gemeinsam lernen können, ohne die Schulform wechseln zu müssen“, erklärt Flieger. Großen Wert setze man auf selbstständiges Lernen. Begriffe wie „Freiheit“ und „Verantwortung“ fallen. Den Satz „Pauken war gestern, wir docken an das reale Leben an“, spricht der gebürtige Oberfranke in aller Bescheidenheit aus. Dabei kommt diesem Satz für die HagenSchule eine zentrale Bedeutung zu: „Im Großen und Ganzen“, so Flieger, „entscheiden die Schüler, wie sich der Unterricht entwickelt.“
Außergewöhnliches Bildungskonzept
Als außergewöhnlich kann man das Bildungskonzept der HagenSchule bezeichnen. Das dokumentiert der durchstrukturierte Tagesablauf: Von 8 bis 8.15 Uhr finden sich die Schüler zum „Morgenkreis“ ein. Meditative Elemente stehen im Vordergrund. In den 15 Minuten können die Kinder das aussprechen, was sie gerade bewegt. Um 8.30 Uhr beginnt die „Freiarbeit“, die individuelle Förderung je nach Interesse jedes einzelnen Kindes. Dabei geben die Kinder vor, was sie lernen. Zum Beispiel etwas über das Weltall, Beton oder Kräuter. Um 10.45 Uhr beginnt der „Vernetzte Unterricht“, themen- statt fachbezogenes Lernen. Da wird das Faltblatt mit den Informationen zur Schule mathematisch berechnet, zum Kunstgegenstand oder zur Grundlage für gutes Deutsch. Nach der Mittagspause folgt um 14 Uhr die Betreuungszeit. Dann steht bis 16 Uhr Schach, Judo, Tanzen etc. auf dem Programm.
Natürlich, so Alexander Flieger, richte man sich nach den Kernlehrplänen des Landes. „Alles, was die Regelschulen anbieten, bieten auch wir an. Wir verteilen es nur über den ganzen Tag.“ Leitfaden der Schule ist der „Machtaler Plan“, ein Unterrichtskonzept, das in den 70er Jahren vom Bistum Rottenburg-Stuttgart in Auftrag gegeben wurde.
200 Euro pro Kind und Monat
Die Kosten für die Hagener Privatschule verteilen sich auf drei Säulen: 87 Prozent beträgt der Zuschuss des Landes. Die fehlenden 13 Prozent gleichen Sponsoren und Eltern aus. „Im Durchschnitt zahlen Eltern 200 Euro pro Kind und Monat“, erklärt Flieger. In der Satzung stehe zwar, dass der Anteil fünf Prozent des Monatsnettos betragen soll, ,,aber einen Steuerbescheid haben wir uns noch nie aushändigen lassen“.
Sandra Driouch (34) ist froh, dass sie sich für die Privatschule in Hagen entschieden hat: „Hier ist es, wie in einer Großfamilie, hier wird mein Junis (6) tatsächlich gefördert.“ Der Streit um die Sekundarschule habe sie in ihrer Entscheidung bestärkt.
Alexander Flieger bleibt ein Optimist: „Die Schule wird weiter wachsen.“ Privatschulen seien effektiv, innovativ, einfach besser.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft steht Privatschulen skeptisch gegenüber. Sie würden dem Prinzip der Chancengleichheit widersprechen. Das man Bildung einfach kaufen könne, so Dorothea Schäfer, Vorsitzende der GEW in NRW, habe der Bildungsforscher Manfred Weiß widerlegt. Weiß hat 2011 Privatschulen unter die Lupe genommen und kam zu dem Ergebnis, dass dort zwar das Schulklima in der Regel besser sei, ein Leistungsunterschied zur Regelschule aber nicht nachgewiesen werden konnte.