Hagen. . Vor 150 Jahren wurde der große französische Komponist Claude Debussy geboren. So etikettiert man ihn gerne als Hauptvertreter des musikalischen Impressionismus. Im Interview mit der WAZ-Mediengruppe beschreibt der Pianist Pierre-Laurent Aimard, warum Debussy so wegweisend wurde.

Claude Debussy (1862 – 1918) hat der europäischen Musik den Weg ins 20. Jahrhundert geöffnet. Dennoch gibt es viele Missverständnisse um das Werk des großen französischen Komponisten, der heute vor 150 Jahren geboren wurde. So etikettiert man ihn gerne als Hauptvertreter des musikalischen Impressionismus. Dabei spielen Struktur und Klarheit eine viel größere Rolle im Schaffen des Meisters als ein schwammiger Impressionismusbegriff. Es ist die Natur, von der sich Claude Debussy anregen lässt. Er träumt von einer Musik „mit vokalen und instrumentalen Kühnheiten, die über den Baumwipfeln in der klaren freien Luft klingen und schweben würde.“

Der französische Pianist Pierre-Laurent Aimard gilt als herausragender Interpret von Debussys Klavierwerk. Zum 150. Geburtstag des Meisters hat er die Préludes auf CD eingespielt (Deutsche Grammophon). Im Interview mit unserer Zeitung beschreibt Aimard die wegweisende Rolle des ­Komponisten.

Was fasziniert Sie an der Musik von Claude Debussy?

Pierre-Laurent Aimard: Wie er seine reichen Inspirationsquellen wählt, transformiert und filtriert, um eine unvergleichbare Klavierwelt aufzubauen. Also eine Welt von Farben, Timbre und Räumen. Man kann nicht nicht davon berührt sein.

Sie werden gerühmt für die Klarheit Ihres Spiels. Ist Debussy da Ihr Vorbild?

Aimard: Wenn Debussy selbst gespielt hat, war Tiefe und Geheimnis da, das berichten die Zeitzeugen. Aber auch immer Klarheit und Exaktheit. Und ich glaube, das muss so sein. Er hat immer sehr präzise Angaben gemacht in seinen Kompositionen, das muss man klanglich für den Zuhörer übertragen.

Der französische Pianist Pierre-Laurent Aimard. (Foto: Getty)
Der französische Pianist Pierre-Laurent Aimard. (Foto: Getty)

Debussy gilt als Wegbereiter der Moderne, aber mit Wurzeln in der Romantik. Welche Seite sehen Sie stärker ausgeprägt?

Aimard: Das hängt von dem jeweiligen Werk ab. In der Zeit des Ersten Weltkriegs ist alles ganz modern. Aber in den Préludes gibt es auch einige, wenige Stücke, die stehen noch in der Tradition der französischen Oper, der französischen Melodie. Debussy hat wirklich eine ganz neue originale Sprache gesucht, sehr diskret, aber sehr raffiniert.

War er Schule bildend?

Aimard: Debussy war absolut unabhängig, er war ein freier Mensch, und ich würde nicht sagen, dass er direkt jemanden beeinflusst hat. Aber er hat musikalisch soviel geändert, dass sicher viele Komponisten nach ihm nicht so komponiert hätten, wie sie es getan haben, wenn Debussy nicht existiert hätte.

Sie gelten als einer der wichtigsten Interpreten zeitgenössischer Musik. Warum tut sich das Publikum mit der Moderne so schwer?

Aimard: Vielleicht, weil sich das Publikum geändert hat, vielleicht, weil sich die Künstler geändert haben? Es gibt, in relativer Proportion verstanden, ein großes Publikum für die zeitgenössische Musik. Aber das ist ziemlich klein im Vergleich mit der Mainstream-Musik. Die Anzahl der Leute, die heute klassische Musik hören, hat sich multipliziert. Wir dürfen nicht denken, dass die zeitgenössische Musik nicht existiert, weil sie von vielen ignoriert wird. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich zudem das Verhältnis zwischen Komponisten und Publikum geändert. Das muss man ­akzeptieren.

Daher sehen Sie es als Ihre Aufgabe an, zu vermitteln?

Aimard: Ja. Die Interpreten und die Pädagogen müssen ihre Ausbildungsarbeit machen, damit das Publikum die Feinheiten kennen lernen kann, die in zeitgenössischer Musik zu entdecken sind.