Elspe. . Benjamin Armbruster, der Winnetou des Sauerlandes, gibt am 16. September seine letzte Vorstellung auf der Naturbühn
Ein Indianer kennt keinen Schmerz. Und doch: Benjamin Armbruster, der Winnetou des Sauerlandes, will nach 25 Jahren in die ewigen Jagdgründe der Naturbühne Elspe eingehen. Ein Vierteljahrhundert hat er für das Gute und gegen das Böse gekämpft. Am 16. September, beim Familientag der WP, wird er seine letzte Vorstellung als Häuptling der Apachen bei den Karl-May-Festspielen geben. Beim großen Manitu: Wird Winnetou wehmütig werden? Wird in Elspe das Stück „Im Tal der Tränen“ aufgeführt? „Ach was“, sagt Benjamin Armbruster (66), „es ist doch schön, wenn man topfit und für andere Tätigkeiten gewappnet ist.“
25 Jahre sind ein langer Ritt. „Winnetou hat mich jung gehalten“, sagt der Schauspieler, Theaterregisseur, Stuntman und Kampfchoreograph. Die steile Treppe zum Aufenthaltsraum der Künstler geht der gebürtige Siebenbürge nicht etwa gemächlich hoch, nein, er läuft. Oder besser: er rennt. An freien Tagen schwingt er sich aufs Rad und fährt mal eben schnell zum Hennesee. Da sollte man ihn lieber nicht fragen, wie viele der geschätzt 1400 Winnetou-Vorstellungen („Jedenfalls unendlich viele.“) im Elsper Vierteljahrhundert er ausfallen lassen musste. „Bitte?“, fragt der so wohltuend höfliche und freundliche Mann – und beugt sich augenzwinkernd so rasant zu einem herüber, dass man für einen kurzen Moment die Befürchtung haben müsste, dass sich der untadelige Indianerhäuptling in den bösen Santer verwandelt. „Keine einzige!“
Wir sitzen nach einer Vorstellung auf einer Holzbank im Freien und blicken auf die lange Zeit im Sauerländer Wilden Westen zurück. Immer wieder kommen Fans entlang des Weges und bitten um ein Erinnerungsfoto mit dem Publikumsliebling – bzw. der sympathische 66-Jährige bietet sich selbst an: „Hallo, Ihr Lieben, auch aufs Foto?“ Der Wahl-Ostwestfale genießt das Bad in der Menge. Er ist einer, der Menschen mag, sich gerne mit ihnen unterhält, keiner Frage aus dem Weg geht. Es sei denn, es kommt: „Herr Winnetou, wir wollten fragen: Wie heißen Sie in Wirklichkeit?“ Da lächelt das pensionierte Ensemblemitglied des Bielefelder Stadttheaters („Ich bin im vergangenen Jahr in den Ruhestand gegangen, nach 150 Rollen in 31 Jahren“) vielsagend und mustert sein Indianerkostüm – Winnetou ist eben Winnetou.
„Darsteller sind wie Staffelläufer“, sagt Benjamin Armbruster, „sie geben den Stab weiter.“ Sein Nachfolger Jean-Marc Birkholz („Ein sehr guter Kollege!“) hat besagten Stab in dieser Spielzeit bereits übernommen, aber Drehbuchautor Jochen Bludau verschafft seinem langjährigen Kollegen Armbruster einen mehr als würdigen Abgang. Der Apachen-Häuptling und Old Shatterhand Bludau sind am Anfang jeder „Winnetou-I“-Aufführung in einem Prolog zu sehen. Eine „tolle Geste“, wie der große rote Bruder findet. Er spricht von „Respekt und Freundschaft“, die ihn mit Mr. Elspe Jochen Bludau verbinden. Mit „Herrn Bludau“, wie er im Interview seinen Duzfreund nennt.
In der kommenden Spielzeit wird „Benny“ beim „Ölprinz“ Co-Regisseur an der Seite seines „Bosses“ sein. „Es ist eine Ehre. Wir denken Theater gleich.“ Und er wird eine kleine Rolle übernehmen. Welche? „Lassen Sie sich überraschen!“ Großes Indianer-Ehrenwort.
Jochen Bludau schwärmt, wenn er über den Ur-Winnetou des Sauerlandes spricht: „Er füllt die ganze Naturbühne aus.“ Und: „25 Jahre lang den Winnetou zu spielen, das ist eine großartige Leistung.“ – „Eine Teamleistung“, verbessert Benjamin Armbruster seinen „Boss“. Das Elspe-Team sorgt auch in dieser Spielzeit bis zum 2. September für hochprofessionelle Vorstellungen. Zu Recht freut man sich im Sauerland über Rekord-Besucherzahlen.
Auch wenn der 66-Jährige nach fast jeder Vorstellung die 140 Kilometer zurück in seine ostwestfälische Wahlheimat fuhr – unter anderem, um am Abend die nächste Bühne auszufüllen („Um 17 Uhr auf dem Pferd, um 20 Uhr Theater in Bielefeld!“) – ist das Land der tausend Berge zur zweiten Heimat geworden. „Wenn man den Sauerländern mit Wärme begegnet, bekommt man sie auch zurück.“
Man könne Menschen nur durch Benehmen und Professionalität überzeugen, sagt der Mann mit der großartigen Bühnenstimme und erzählt von dem „Zwischenfall“ vor einigen Jahren, als seine Improvisationskunst auf eine harte Probe gestellt wurde. Plötzlich erschien Komiker Hape Kerkeling als reitender Zorro auf der Bühne. „Das war saumäßig schwer für uns“, erzählt der Deutsch-Rumäne, der nicht auf den Mund gefallen ist. „Ich habe dann zu ihm gesagt: ,Ich grüße meinen weißen Bruder’. Und was hat er geantwortet? ,Ich bin nicht dein weißer Bruder. Ich bin Zorro.’“
Zehn Indianerkostüme hat der ehemalige Fechtmeister in 25 Jahren verschlissen. Noch einmal: Wird er nicht doch ein wenig sentimental, wenn er an seinen letzten Auftritt als Apachenhäuptling denkt? Armbruster lächelt. Seine Mutter habe ihm die Angst vor der Wehmut genommen: „Sie sagte immer: ,Wenn du mit Herzblut Deinen Beruf ausübst, bleibt das im Gedächtnis der Menschen.’“ Dieser Indianer kennt wirklich keinen Schmerz.