Hagen. . Ein Hardrocker schreibt ein tief berührendes geistliches Chorwerk? In der Musik ist nichts unmöglich. Und für Jon Lord ohnehin nicht. Die Hagener Philharmoniker haben jetzt „From Darkness to Light – A Prayer for the Millennium“ für Orchester, Chor und Solisten des früheren Deep-Purple-Keyboarders uraufgeführt.

Ein Hardrocker schreibt ein tief berührendes geistliches Chorwerk? In der Musik ist nichts unmöglich. Und für Jon Lord ohnehin nicht. Die Hagener Philharmoniker haben jetzt „From Darkness to Light – A Prayer for the Millennium“ für Orchester, Chor und Solisten des früheren Deep-Purple-Keyboarders uraufgeführt. Jon Lord ist in dieser Saison Komponist für Hagen. Durch eine Erkrankung am Reisen gehindert, hörte der berühmte Musiker am Telefon den gewaltigen Jubel, mit dem das Sinfoniekonzert-Publikum sein Gebet feierte. Und er versprach, am 6. Juli nach Hagen zu kommen, dann wird er in einem Crossover-Projekt mit den Philharmonikern an der Hammond-Orgel spielen.

„Es muss mehr geben, als nur zu leben und zu sterben“, so begründet Jon Lord sein Interesse an spirituellen Kompositionen. Der Brite ist der Pionier aller Brückenschläge zwischen Klassik und Rock. Seine klassischen Werke, die in den vergangenen Jahren entstanden sind, begeistern durch ihren emotionalen Reichtum und durch ihre individuelle Tonsprache. Ein befreundeter protestantischer Pfarrer hat nach Lords Stichworten das Gebet „From Dark-ness to Light“ geschrieben, eine innige Fürbitte an Jesus, den Menschen zu helfen, Unrecht, Not und Gewalt zu überwinden. Extra für Hagen hat Jon Lord eine Fassung für großes Orchester komponiert.

Zeitentrückte Musik

Der Zuhörer betritt mit den ersten Takten gleichsam eine Kathedrale, geführt von Glockenschlägen in Pauke, Bässen und Klavier. Die glitzernden Farben von Klavier und Harfe füllen diesen imaginären Raum und verleihen dem Satz etwas Mittelalterliches und Zeitentrücktes. Ab und an bricht ein Sonnenstrahl, symbolisiert durch überirdisch leuchtende Flötenmotive, durch die Glasfenster. GMD Florian Ludwig lässt die Partitur in einem gleichsam unendlichen, ewigen Puls atmen. Derart geborgen in einer Architektur aus purem Klang öffnen die Knaben-Solisten der Chorakademie Dortmund mit ihren zauberhaft reinen Stimmen das Tor zu einem Stück des Himmels. Der Opernchor des Theaters Hagen vertritt in bester Oratorien-Tradition dagegen die angstvolle Masse der sterblichen Menschen. Und die Solisten flehen, Ecce homo, um Erlösung: Stefanie Smits mit ihrem glühenden Sopran und Dominik Wortig mit seinem so unvergleichlich reich beseelten Tenor stehen stellvertretend für das betende Ich.

Fast unmerklich verändert sich das Klangbild. Die Fürbitte scheint erhört zu werden: Holzbläser bringen Wärme in den Satz, die Harmonik wird weicher. Noch nistet das Dunkel in den tiefen Registern der Bassklarinette, doch das Licht setzt sich durch, angetrieben von Blech und Schlagzeug. Jon Lord lässt sein Gebet allerdings nicht auftrumpfend enden, es verklingt leise und tröstlich. So wie die Helligkeit am Abend sachte aus der Kathedrale schwindet – in der sicheren Hoffnung, dass ein Morgen kommen wird.

„Das ist das schönste Werk neuer Musik, das ich je gehört habe“, kommentiert ein Zuhörer ergriffen. Entsprechend schwer haben es die anderen Programmpunkte, in Erinnerung zu bleiben. Edward Elgars Ouvertüre „In the South“ mit dem wunderbar ausgesungenen Bratschensolo legt Ludwig flott und knackig an. In der 5. Sinfonie von Jean Sibelius mit dem berühmten Schwanenruf-Hornmotiv zeichnet der GMD mit großer sinfonischer Geste die erhaben-elegische Bewegung über alle drei Sätze heraus.