Siegen. . Uni-Rektoren in NRW sehen ohne zusätzliche Finanzmittel die Ausbildung der auch langfristig steigenden Zahl von Studierenden nicht mehr gewährleistet

„Für den doppelten Abiturjahrgang im kommenden Jahr sind wir gewappnet“, verspricht Prof. Holger Burckhart. Aber für die Jahre danach hat der Rektor der Universität Siegen größte Bedenken. Und damit steht er nicht alleine. Die Rektoren aller Universitäten in NRW, die sich am Montag in Dortmund trafen, appellieren gemeinsam an die wieder gewählte Landesregierung, mehr Geld zur Verfügung zu stellen. Ohne eine „signifikante Steigerung der Grundfinanzierung“ sei die Ausbildung der wachsenden Anzahl Studierender nicht zu leisten, betonte die Landesrektorenkonferenz.

Im Wintersemester 2011/2012 sind nach Angaben des statistischen Landesamtes 590 000 Studierende an den NRW-Hochschulen eingeschrieben, das sind zwölf Prozent mehr als vor einem Jahr. Die Zahl der Erstsemester hat sich sogar um 23 Prozent auf 104 000 erhöht. Siegen zählt im Sommersemester 15 098 Studierende, zehn Prozent mehr als 2011. Für das Wintersemester rechnet Burckhart mit mehr als 16 000 Studierenden. Und für 2013/14 mit bis zu 18 000.

Schon heute sind einige Fächer stark überlastet: Geschichte mit 195 Prozent, Architektur mit 172 Prozent, Wirtschaftswissenschaften mit 168 Prozent. Dennoch betont Prof. Franz-Josef Klein, Prorektor für Lehre: „Ich habe in diesem Semester noch nicht eine Beschwerde wegen Überfüllung erhalten.“ Aber 2013 werde sich das dramatisch entwickeln: „Wir müssen zusätzliches Personal gewinnen, überwiegend für eine befristete Zeit. Doch wir sind derzeit nicht die einzigen, die suchen.“

Aber weil Lehrende, Lernende und Forschende auch irgendwo sitzen müssen, arbeitet die Uni auch an der räumlichen Erweiterung: Heute wird auf dem Haardter Berg das 3,5 Millionen Euro teure Student Service Center eingeweiht, ein New Data Center wird im kommenden Monat eröffnet, 2013 beginnt die Realisierung des Campus Siegen Mitte/Altstadt am Unteren Schloss. Dort wird das Krankenhaus umgebaut, 2014/15 will die Uni einziehen. Dazu will Kanzler Johann Peter Schäfer an der Optimierung der Raumbelegung arbeiten, Blockveranstaltungen auf Wochenenden legen und Tagungen in die Semesterferien. Das sei sinnvoller als die Anmietung von Immobilien außerhalb: „Die Leute müssen ja auch hinkommen - und der ÖPNV ist wie er ist.“

Rektor Burckhart ist erfreut über die Steigerung der Promotionen auf 100 im Jahr 2011 („erstmals dreistellig“) und auf 33,9 Millionen Euro, die an Drittmitteln eingeworben würden. Künftig soll die Forschung stärker im Verbund stattfinden: 2013/14 wollen Medien- und Ingenieurwissenschaftler sich zusammen um das Thema Sensorik kümmern. Deutlich tiefer ist ein anderes Projekt angesiedelt: Vorbereitungskurse in Mathematik, Englisch und Deutsch sollen Schüler fürs Studium fit machen. Mathe ist ein bekanntes Problem, Englisch mittlerweile Grundvor­aussetzung für die Studierfähigkeit, aber Deutsch? „Auch bei inländischen Studienbewerber mangelt es oft an der schriftlichen Ausdrucksfähigkeit“, bedauert Klein.

Die Uni wächst. Das ist gut. Und bis 2015 deckt der Hochschulpakt zumindest einen Teil der Kosten des Wachstums. Zwar schrumpfen die Jahrgänge gegen Ende des Jahrzehnts, aber die Studierquote wird steigen: „Die Studentenzahlen werden noch 2025 zehn Prozent über dem Stand von 2005 liegen“, sagt Burckhart. „Die Hochschulen werden dann zu 25 Prozent unterfinanziert sein.“ Die derzeit diskutierte Änderung des Grundgesetzes, die dem Bund die Rückkehr in die Hochschulfinanzierung erlaube, sei wegen der beschränkten Möglichkeiten der Länder eine sinnvolle Lösung.