Siegen. .
Inge Frank aus Weidenau ist 19 Jahre alt, Artur Holländer aus Hilchenbach 17, Grete Meier aus Littfeld 29. Es sind andere Menschen, die am Samstag die Tafeln mit ihren Namen zum Siegener Bahnhof tragen. Denn Inge Frank, Artur Holländer und Grete Meier und 107 weitere Männer und Frauen sind diesen Weg vor 70 Jahren gegangen. Und niemals zurückgekehrt. Sie starben im Getto in Zamosc oder in den Gaskammern von Sobibor, Belcec und Treblinka.
„Wir wollen den Weg nachverfolgen, den diese Menschen damals gehen mussten“, sagt Klaus Dietermann. Der Leiter des Aktiven Museums hat das Siegener Bündnis für Demokratie als Partner für den Schweigezug gewonnen, der an die erste Deportation von 110 Siegerländer und Wittgensteiner Juden erinnert. Am 28. April 1942 fuhr der Zug von Gleis 4 des Siegener Bahnhofs nach Dortmund ab – gerade einmal drei Monate, nachdem die Wannsee-Konferenz die „Endlösung der Judenfrage“ beschlossen hatte.
Von Stolpersteinzu Stolperstein
An den letzten Wohnungen der Opfer, auf die in der Regel bereits Stolpersteine hinweisen, werden sich die Gruppen versammeln: um 10 Uhr am Lindenweg in Littfeld, um 10.15 Uhr in der Gerbergasse in Hilchenbach, der Wohnung des Gemeindeältesten Karl Schäfer, um 10 Uhr am Tor 2 der Edelstahlwerke in Geisweid, um 10.45 Uhr in Eiserfeld an der Eiserfelder Hütte 2 sowie in Siegen an der Harkortstraße 3 und an der Sandstraße 167. Die sechs Gruppen, unter ihnen auch Schulklassen, gehen von Stolperstein zu Stolperstein den Weg zum Bahnhof.
Werner Leis vom Deutschen Gewerkschaftsbund wünscht sich, mit der in Siegen eingeführten Form des „Geh-Denkens“ (zum Jahrestag der Bombardierung am 16. Dezember) Erinnerungskultur zu pflegen, „damit so etwas nicht wieder passiert“. Dazu gehört die Auseinandersetzung mit den rechten Strömungen der Gegenwart, von den extremistischen Kameradschaften bis zu den Rechtspopulisten der „Pro“-Parteien. Gelegenheit dazu besteht bei der Kundgebung, auf der um 12.15 Uhr vor dem Siegener Bahnhof Klaus Dietermann und Landrat Paul Breuer sprechen.
Der Zug, der am 28. April 1942 um 10.20 Uhr von Gleis 4 auslief, war verplombt und wurde von einem Siegener Polizisten begleitet. Von Dortmund-Süd aus legten die Menschen den Fußweg zur Eintracht-Halle zurück, wo die Gestapo ihnen Wertsachen abnahm. „Marschverpflegung für sechs Tage“, so stand es im „Deportationsbefehl“, sollten sie mit sich führen. 65 Stunden brauchte der Zug am 30. April von Dortmund nach Zamosc.
Ende in denGaskammern
Dort, im Getto, wurden am 24. Mai zunächst die Alten und die Kinder „selektiert“ und in Sobibor ermordet. Die anderen, die zur „Vernichtung durch Arbeit“ bestimmt waren, gingen am 16. Oktober auf die Todesmärsche in die Gaskammern.
Drei weitere Züge in den Tod fuhren allein aus Siegen ab, Passagiere waren Juden, Sinti und Roma. Am 27. Februar 1943 ist auch Heinz Lennhoff aus Netphen dabei, der Freund von Inge Frank. Von ihr bekommt er am 18. Januar eine Postkarte. Ihr letztes Lebenszeichen.