Neunkirchen/Sundern/Kierspe.

. Heu und Stroh sind bereits knapp und teuer und werden noch viel knapper und teurer. Die Situation verschärft sich, weil der Winterweizen großflächig erfroren ist. Pferdebetriebe und Reitervereine wissen derzeit nicht, wie sie die gestiegenen Kosten auffangen sollen.

„Die Ernte war knapp, und es kommt nichts nach. Die Vorräte sind leergefegt“, schildert Landwirt Reiner Grafe aus Kierspe das Problem. Die Knappheit führt zu einer erheblichen Verteuerung. Hat man sonst in der Nachbarschaft eingekauft, so muss man sich die Ballen jetzt von weit her liefern lassen. Die Transportkosten bringen kräftige Aufschläge mit sich. „Früher lag der Preis für einen kleinen Ballen Heu bei 1,60 Euro, jetzt bei 2,50 bis 2,70 Euro“, erläutert Reiner Grafe, der einen Milchviehbetrieb führt und auch Heu macht.

Beim Stroh ist die Lage kritischer. Auf die geringe Ernte 2011 folgt kein Ausgleich. „Wir haben 11 Hektar Winterweizen angebaut, die haben wir jetzt unterpflügen müssen, weil alles kaputt gefroren war durch die Kahlfröste. Stroh wird also noch knapper“, so Reiner Grafe. Der Landwirt hat Nachschub aus Polen bestellt. „Da kommen auf die Tonne schon 36 Euro Transportkosten.“

Für die Aussaat von Sommer-Weizen ist es bereits zu spät. Gegen Gerstenstroh haben viele Pferdehalter wegen möglicher Reste von Grannen Bedenken. „Der Saatgutmarkt ist durch die starken Auswinterungsschäden wie leergefegt“, erläutert Martin Hoppe, Grünlandberater der Landwirtschaftskammer NRW in der Kreisstelle Meschede. „Etliche 1000 Hektar sind ausgefallen. Mit diesem eklatanten Umbruch hat keiner gerechnet.“

Auch Jutta Capito, die in Neunkirchen im Kreis Siegen-Wittgenstein einen Betrieb mit mehr als 40 überwiegend Pensionspferden führt, ist der Sachverhalt vertraut. „Wir sind persönlich nicht betroffen, aber das Futter ist insgesamt ganz knapp, und die Heupreise sind in astronomische Höhen geklettert. Wir haben viel Silo gemacht. Heulage ist Glaubenssache, es gibt Pferdehalter, die lehnen Heulage grundsätzlich ab. Wir kommen damit über den Winter. Wer auf den Zukauf von Heu angewiesen ist, der tut sich ganz schön schwer.“

Dr. Clara Berendonk ist Expertin für Ackerbau und Grünland im Landwirtschaftszentrum Haus Riswick der Landwirtschaftskammer NRW. „Die Flächen müssen eingeebnet werden, und es muss nachgesät werden, da wird sich der erste Aufwuchs verzögern. Wenn die Trockenheit noch einen Monat anhält, kann das schon zu Problemen führen.“

Der Reiterverein Sundern-Hellefeld hat 32 Boxen in seiner Anlage. Ein Futtermeister ist für Füttern und Einstreuen verantwortlich. Bislang wurde im Umfeld und in der Soester Börde gekauft. Jetzt muss das Stroh mit dem Lkw aus dem Osten und aus dem Raum Bielefeld besorgt werden. Hubertus Fabri, Geschäftsführer des Reitervereins: „Wir füttern mit Heulage, das ist nicht das Problem. Das Problem ist das Stroh. Das wird preislich ein richtiges Problem. Die gestiegenen Kosten lassen sich nicht auf den Kunden umlegen. 50 Euro mehr im Monat sind einfach nicht drin. Der Transport aus den neuen Bundesländern kostet so viel wie die Ballen.“

Landwirt Reiner Grafe bringt die Sache auf den Punkt: „Alle Läger sind leer, es sind keine Rücklagen da. Wenn wir jetzt noch eine schlechte Ernte kriegen, ist das auch über die Preisschiene nicht mehr zu regeln.“

„Die Situation bei den Einstreumaterialien wird angespannt bleiben“, bilanziert Martin Hoppe. Nicht nur die Temperaturen von Minus 24 Grad haben den Winterweizen vernichtet. Schlimmer war die anschließende Frosttrocknis: Während des Auftauens herrschte eine sehr sonnige, strahlungsreiche Witterung. Da auf vielen ausgewinterten Flächen gar kein neues Getreide gesät wird, ist die Anbaufläche für Weizen und Co. in diesem Jahr ohnehin geringer.

Für die Verknappung bei Stroh ist laut Hoppe nicht zuletzt ein landwirtschaftlicher Wandel eine Ursache. In Ackerbauregionen geht der Trend zur umbruchlosen Aussaat (ohne Pflug). Dabei muss dem Boden Humus zugeführt werden. Da die Preise für Düngemittel ebenfalls steigen, gehen viele Ackerbauern dazu über, das Stroh auf der Fläche zu belassen.

Hoppe empfiehlt Pferdebetrieben und Reiterhöfen die Suche nach Alternativen: Sägemehl oder Miscanthus-Häcksel verwenden – eine Pflanze, die noch nicht so weit verbreitet ist, zur Energiegewinnung genutzt wird, sich aber auch als Einstreu eignet.

Erste Landwirte im Sauerland ziehen bereits die Konsequenzen und nutzen ihre Weihnachtsbaum-Flächen um. Statt Tannen pflanzen sie Getreide an. Nicht wegen des Preises für das Korn. Sondern wegen der hervorragenden Erlöse für das Stroh.