Südwestfalen. Noch nie gab es so viele Fahrgäste in Bus und Bahn, meldet das Statistische Bundesamt. Aber während der Nahverkehr boomt und die Bahn weiter in ihre ICE-Rennstrecken investiert, bröckelt die Mitte: Südwestfalen ist vom Fernverkehr weitgehend abgekoppelt. Der Fernverkehr der Bahn rollt nur noch in Hagen und Soest.
Die Entwicklung ist nicht neu und sie it auch keine regionale Spezialität: Wie das Fernsehmagazin Report berichtete, hat die Bahn seit 1999 insgesamt 110 Bahnhöfe vom Fernverkehr abgeschnitten, darunter viele Mittelzentren. Jüngster Fall in Südwestfalen ist Siegen, das 2011 noch durch den Eurocity nach Klagenfurt einmal täglich über eine direkte Verbindung nach München verfügte.
„Das war für uns als Oberzentrum sehr wichtig“, sagt Günter Padt. Er ist Geschäftsführer des Zweckverbandes Personennahverkehr westfalen-Süd, der bei der Bahn Verkehrsleistungen bestellt und kennt die Interna. „Die Verbindung war für mindestens 100 Fahrgäste pro Tag und Richtung konzipiert“, erklärt er, „hatte aber nur knapp 40.“
Die Bahn muss den Fernverkehr wirtschaftlich gestalten. Und auf Nebenstrecken sei die Nachfrage eben gesunken, argumentiert sie. „Siegen - Klagenfurt war ein Versuchsballon, der in zwei Jahren nicht hoch genug gestiegen ist“, bedauert Stefan Veh. Der Esloher ist Vorsitzender beim Verkehrsclub Deutschland (VCD) Hochsauerland und Mitglied des Landesvorstandes. Und ist immerhin mit dem zufrieden, was sich in den vergangenen zehn Jahren im Nahverkehr getan hat.
Interregio über Rhein-Sieg-Strecke eingestellt
Für den bezahlen inzwischen die Länder. „Der Bund dagegen entzieht sich seit der Bahnreform von vor fast 20 Jahren seiner Verantwortung für den Fernverkehr“, kritisiert Lothar Ebbers vom Fahrgastverband Pro Bahn. Deshalb sei der Interregio eingestellt und der Intercity stark beschnitten worden. Der Interregio fuhr beispielsweise zwischen Norddeich-Mole und Frankfurt über die Rhein-Sieg-Strecke mit Halt in Hagen, Werdohl, Finnentrop, Altenhundem und Siegen-Weidenau.
Davor hielten die Schnellzüge noch in Letmathe und Altena und führten bis Stuttgart und München. Aber im Sommer 2001 war ganz Schluss. Inzwischen betreibt das Privatunternehmen Abellio auf der Rhein-Sieg-Strecke den Regionalexpress. Soest, Lippstadt und Paderborn sind immerhin noch Haltepunkte auf der Mitte-Deutschland-Verbindung zwischen Ruhrgebiet und Kassel, erfurt und Berlin, die mit Intercitys bedient wird. „Aber auch hier ist reduziert worden, und das geht weiter“, sagt Ebbers.
Wenigstens in Hagen noch ICE-Haltepunkt
Wenigstens ist Hagen noch ICE-Haltepunkt an der Verbindung zwischen Rheinland und Berlin sowie Hamburg. Und die Südwestfälische Industrie- und Handelskammer (SIHK) meldet sich stets zu Wort, wenn die Bedeutung Hagens als Verkehrsknotenpunkt gefährdet sein - und sei es auch nur vorübergehend wegen Bauarbeiten an der Strecke. „Das ist wichtig für die Attraktivität der gesamten Region“, betont Christoph Brüger, zuständig für Standortpolitik bei der SIHK: „Viele Wege aus Südwestfalen führen über Hagen.“
Dementsprechend unglücklich müsste doch der Hauptgeschäftsführer der IHK Siegen über den fehlenden Fernverkehr sein. „Wir bedauern das sehr“, sagt denn auch Franz J. Mockenhaupt. Er hat die Intiative für die Strecke nach Klagenfurt, die von Landrat Paul Breuer (CDU) ausging, unterstützt, muss aber konstatieren: „Die Nachfrage bestimmt das Angebot.“ Deshalb will er nun auch nicht vom Land die Subvention unrentabler Strecken fordern.
IHK Siegen macht sich für Güterverkehr stark
Die Strategie der Kammer ist eine andere: Zusammen mit der Bahn setzt man sich für den Ausbau der Rhein-Sieg-Strecke für Güterverkehr ein. Zwischen dem Süden und den Häfen im Norden sind die Verbindungen überlastet, doch durch die Tunnel zwischen Siegen und Hagen passen keine Container. Mockenhaupts Hoffnung: „Wenn das in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen wird, kann neben dem Güter- auch der Personennahverkehr profitieren. Das wäre für uns das große Los.“ Dann müssten Siegener nicht mehr mit dem Auto nach Hagen fahren, um dort in den ICE nach Berlin zu steigen.