Hagen. .
Kann das Motiv des Politischen eine musikalische Spielfolge zusammenhalten, die aus völlig disparaten Werken besteht? Das jüngste Sinfoniekonzert der Hagener Philharmoniker zeigt, wie problematisch es sein kann, Kompositionen mit Gewalt unter den Oberbegriff eines Programms zu pressen.
Bereits beim Hauptwerk, Beethovens „Eroica“, gerät GMD Florian Ludwig in Erklärungsnot. Der gern zitierte Mythos von der zurückgezogenen Widmung der „Dritten“ an Napoleon wird von der Musikwissenschaft bezweifelt. Es gibt eine Deutung, nach der Beethoven Napoleon aus opportunistischen Gründen eine Zueignung antragen wollte, weil er eine Umsiedlung nach Paris erwog.
Musikalisch hat Ludwig in seiner Interpretation Überzeugendes zu bieten: Er wählt ein flottes Tempo mit fließendem, aufmüpfigem Grundpuls, so dass die „Eroica“ nicht pathetisch, sondern aufrührerisch daherkommt. Das verdeutlicht, wie Beethoven in dieser ersten großen Sinfonie der Musikgeschichte Hörerwartungen durch die Länge des Werks irritierte und vor allem durch das Gewicht der verhandelten Themen.
Ludwig setzt die durchgängigen rhythmischen Akzentverschiebungen wie Sprengsätze ein, die ungeheure Energie freisetzen, und stellt die kontrapunktischen Verflechtungen in den Vordergrund. Das geht zu Lasten der Kontrast-Themen in den Holzbläsern, die ohnehin nicht sauber zusammenstimmen. Die Aufstellung des Orchesters mit Bässen hinten und Violinen gegenüber kommt dem Konzept entgegen, weil das Klangbild dadurch plastisch und dennoch durchsichtig wirkt.
Wenn die Hörner im Scherzo ihren Auftritt haben, wird allerdings der Nachteil dieser an den Erkenntnissen der Originalklangbewegung orientierten Sicht deutlich. Denn Ludwig lässt Hörner und Trompeten auf Naturtoninstrumenten spielen. Bei Akkorden erzeugt das scharf-leuchtende Farben. Im Trio und Terzett geht das Spiel auf Naturhörnern jedoch so gründlich schief, dass man mit den Musikern mitleidet.
Franz Liszts Sinfonische Dichtung Nr. 3 konnte bis 1941 ein normales Leben im Konzertsaal führen. Dann missbrauchten die Nationalsozialisten eine Passage daraus als „Russland-Fanfare“, die bis zum bitteren Kriegsende jubelnd aus den Volksempfängern dröhnte. Ludwig lässt das Werk ziemlich ruppig erscheinen, als flirrenden Hexentanz, der plötzlich die Fanfare erbricht. Aber natürlich kann man die gar nicht anders als auftrumpfend spielen, deswegen scheitert der Versuch, dieser Musik ihre Unschuld zurückzugeben.
Walter Braunfels (1882 – 1954) war Gründungsdirektor der Hochschule für Musik in Köln. Als „Halbjude“ wurde er von den Nazis des Amtes verwiesen, seine Musik wurde verboten. Obwohl Braunfels 1947 berufen wurde, die zerstörte Hochschule wieder aufzubauen, blieb die Rezeption seiner Werke nachhaltig behindert. Zum ersten Mal seit ihrer Uraufführung 1933 wurde beim Hagener Sinfoniekonzert jetzt die Schottische Fantasie durch ein Profiorchester gespielt. Braunfels komponiert über das schottische Volkslied „Ca’ the Yowes“ elegische Variationen als stimmungsvolle Naturschilderungen. Dabei überrascht die Fantasie durch aparte Instrumentenkombinationen, etwa die Dialoge von Viola und Tuba. Der Hagener Solobratscher Bijan Fattahy ist ein herausragender Musiker, der voller Zärtlichkeit und voller Leidenschaft dieses vergessene Opus mit neuem Leben erfüllen kann.