Hagen/Köln. .

Jeder im Land kennt dieses Lächeln. Knallig in Orange kommt dieser fröhliche Junge daher. Und weiße, geschwungene Buchstaben senden die Botschaft: Brandt, Zwieback Brandt. Eine Marke, die uns alle seit Kindertagen begleitet. In diesem Jahr feiert das Hagener Traditionsunternehmen sein 100. Jubiläum. Eine Geschichte über ein trockenes Geschäft.

Ilse Aigner lässt den pausbäckigen Knirps links liegen. Dabei strahlt er alle Besucher aus der Ferne an. Gestern bei ihrem Rundgang auf der Internationalen Süßwaren-Messe in Köln hat die Bundesministerin für Ernährung keinen Blick dafür. Es hätte sich für sie gelohnt. Schließlich gibt es nicht viele Marken in Deutschland, die wirklich jeder kennt.

Den Inhaber und Hauptgeschäftsführer der Brandt-Gruppe, Carl-Jürgen Brandt, stört die Missachtung nicht. „Bei einem Rundgang kann sie sich nicht für jeden Zeit nehmen.“ Der 65-Jährige hat mit dem Geburtstag des Familienunternehmens genug zu tun.

Im Dreißig-Minuten-Takt absolviert er in Halle 10.2 Gespräche. Ob er selbst gerne Zwieback isst? Für ihn keine Frage: „Jeden Tag. Am liebsten mit Butter und Marmelade.“ Bleibt der Zwieback in den nächsten hundert Jahren so beliebt wie jetzt? „Mit Sicherheit. Es ist ein bewährtes, alltagstaugliches Produkt. Knusprig und lecker. In Zukunft wird Zwieback in verfeinerten Variationen mehr und mehr zum Brotersatz.“

Von Schoko-, Kokos- und Aniszwieback war vor hundert Jahren noch keine Rede. Am 21. Oktober 1912 legt Carl Brandt ( 1886-1965) mit der Gründung der Märkischen Zwieback- und Keksfabrik in Hagen-Haspe den Grundstein. Mit sechs Mitarbeitern fängt der Jungunternehmer und Pionier der mechanisierten Zwiebackproduktion an, mehr als 2000 Frauen und Männer zählt die Belegschaft in den besten Zeiten. Ein ganzer Stadtteil riecht nach Zwieback. Ehemalige Mitarbeiter haben den Geruch heute noch in der Nase.

Doch das ist Geschichte. Am 4. Dezember 2003 läuft die letzte Packung Brandt Zwieback in Haspe vom Band. Seither kommt das trockene Backwerk aus dem thüringischen Ohrdruf. Über die damals in der Öffentlichkeit heftig umstrittene Produktionsverlagerung redet Carl-Jürgen Brandt nur ungern: „Es war eine wirtschaftliche Notwendigkeit, es war hart für beide Seiten. Dabei sollte man es heute belassen.“

Täglich werden nach seinen Angaben zwei Millionen Scheiben Zwieback in Deutschland gegessen. Für die Brandt-Gruppe ist es längst nicht mehr das Hauptgeschäft. Das zeigen die aktuellen Zahlen. Im Geschäftsjahr 2011/12, es ist Ende April abgeschlossen, liegt der erwartete Umsatz für Zwieback bei 59,5 Millionen, für Knäcke bei 29,5 Millionen und für Schokolade bei 91,1 Millionen Euro. An drei Standorten in Ohrdruf (152/Thüringen), in Landshut (388/Bayern) und Burg (206/Sachsen-Anhalt) wird mit insgesamt 808 Mitarbeitern produziert. Die Verwaltung ist mit ihren heute 62 Mitarbeitern in Hagen geblieben. Was viele Kunden nicht wissen: Die Brandt-Gruppe produziert Schokolade für bekannte Marken. So ist oft Brandt drin, wo Milka drauf steht. Auch produziert das Unternehmen Zwieback für die Marktführer in Frankreich und Griechenland. „Manchmal bin ich selbst überrascht, auf wie viel Zustimmung der Zwieback stößt.“ Das Image als Heilsbringer bei Magen-Darm-Erkrankungen, gerne in Kombination mit Kamillen-Tee, stört nicht. Brandt: „Zwieback ist eben gesund.“

Ganz gesund, also altersgemäß, soll der Generationswechsel im Familienunternehmen vollzogen werden. Die Söhne Christoph (28) und Carl-Heinz (30) arbeiten seit gut zwei Jahren mit. „Der Übergang ist absehbar und bereits eingeleitet. In der Familie haben wir den Zeitpunkt bereits abgestimmt.“ Wann genau? Der 65-Jährige bleibt eine Antwort schuldig. Die Übergabe des Staffelstabes an der Spitze des Unternehmens scheint ihm mehr Kopfzerbrechen zu bereiten, als er zugibt: „Ich hoffe, dass ich das kann. Das ist eine Erfahrung, die ich noch nicht gemacht habe. Vor meinem 70. Geburtstag sollte es geschafft sein.“

Mit großem Tamtam und Feuerwerk will Brandt den Geburtstag nicht feiern. Das Unternehmen unterstützt den Verein „Clowns helfen. Wir schenken Lächeln.“ Die Clowns gehen in Kliniken und Heime und wollen für einen Lichtblick sorgen - genauso wie der goldige Junge.