Haliburton/Bad Fredeburg.
(rh)Ein Sauerländer besitzt einen der größten Privatwälder in Nordamerika. Seit 23 Jahren lebt der gebürtige Bad Fredeburger Peter Schleifenbaum (49) im „Haliburton Forest“ in der kanadischen Provinz Ontario, vier Autostunden von Toronto entfernt. In dem 40 000-Hektar-Wald desVaters zweier erwachsener Töchter finden sich neben einem U-Boot, dem längsten Baumwipfelpfad der Welt und 70 Seen auch ein Sägewerk und ein Tourismusbetrieb. Größte Attraktion ist ein Wolf-Zentrum mit mehreren zehntausend Besuchern pro Jahr.
Frage: Welches Konzept steht hinter Ihrer Wald-Bewirtschaftung?
Peter Schleifenbaum: Als mein Vater den Wald vor 50 Jahren erwarb, war dieser ausgeschlagen - das Einkommen musste auf unkonventionelle Weise aufgebracht werden. Das Konzept habe ich in den 90er Jahren ,verfeinert’ - seinerzeit entstammte fast 90 Prozent des Forsteinkommens aus nicht-forstlichen Quellen, vor allem dem Tourismus. Damit hatten wir Zeit, die Waldbestände wieder aufzubauen. Heute haben wir eine Balance, in der nachhaltige, industrielle Forstwirtschaft auf der gleichen Fläche betrieben wird wie andere, nicht-forstliche Landnutzungen.
Frage: Eine Zeitung schrieb, dass die Kanadier verblüfft waren, wie man „in einem einst verwahrlosten Wald mit Öko-Tourismus Geld verdient“. Wie verdienen Sie Ihr Geld?
Schleifenbaum: Erst seit drei Jahren betreiben wir wieder traditionelle Forstwirtschaft und verwerten unser Holz im eigenen Sägewerk und zum Teil in der eigenen Holzverarbeitung. Die touristische Nutzung unseres Waldes ist immer noch wichtig, und unsere Parade-Attraktionen wie das Wolf-Zentrum, U-Boot oder Baumwipfelpfad verleihen uns neben Aktivitäten wie Camping, Mountain-Biking oder Hundeschlittentouren eine solide wirtschaftliche Basis.
Frage: Wenn Sie das Sauerland mit Ihrem „Haliburton Forest“ vergleichen, welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten erkennen Sie?
Schleifenbaum: Waldreich sind beide, jedoch sind die Wälder hier im deutschen Sinne noch Urwälder, die nach ihren eigenen ökologischen Regeln wachsen und vergehen, mit relativ wenigen menschlichen Eingriffen. Die hiesigen Wälder sind viel artenreicher mit 26 Baumarten, vornehmlich Laubholz. Zudem bieten sie Lebensraum für Arten wie Wolf und Bär, Elch und Zobel sowie Kolibri und Adler.
Frage: Haben Sie noch Kontakt ins Sauerland?
Schleifenbaum: Natürlich. Ich besuche Deutschland ein bis zweimal pro Jahr und versuche mindestens einen - wenn auch manchmal kurzen - Besuch im Sauerland einzubauen. Dort habe ich immer noch einige alte Freunde.
Frage: Bemerken Sie Mentalitätsunterschiede zwischen Kanadiern und Sauerländern?
Schleifenbaum: Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie weltläufig die Sauerländer sind. Überall auf der Welt habe ich sie schon getroffen. Als Fredeburger bin ich natürlich mit den Schwammklöppern vertraut, die in vergangenen Jahrhunderten den Zunder aus dem Sauerland in der Welt verkauften und dadurch die Welt auch wieder nach Hause brachten. Viele andere Orte hatten ähnliche Handelsware, von Strümpfen bis zu Metallwaren. Das machte den Sauerländer zum Kosmopoliten, und kosmopolitisch ist Kanada ebenfalls, weshalb sich ein Sauerländer hier gut einfügt . . .
Frage: Warum wanderten Sie nach Kanada aus?
Schleifenbaum: Als junger Forstwirt einen großen Familienbesitz zu bewirtschaften, war eine zu große Versuchung. Meiner Frau fiel der Abschied schwerer, da sie nicht die berufliche Herausforderung hatte und Freunde und Familie zurücklassen musste.
Frage: Sie haben Ihren deutschen Pass behalten - warum?
Schleifenbaum: Zum Teil ist es die Verbundenheit mit Deutschland. Als Einwanderungsland macht es Kanada Neu-Bürgern ebenfalls leicht, ihren alten Pass beizubehalten.
Frage: Hatten Sie jemals Heimweh nach Deutschland?
Schleifenbaum: Nein. Aber ich vermisse manches: Kanada ist ein sehr junges Land mit wenig Geschichte und Traditionen. Gerade als Sauerländer entgeht einem nicht, dass es hier keine Heiligen Drei Könige, Sunnevogel, Karneval, Kirch- oder Schützenfeste gibt. Und natürlich vermisse ich deutsche Leber- und Blutwurst, Landbrot oder Bäcker-Teilchen.
Frage: Wer macht in Ihrem Wald Urlaub?
Schleifenbaum: Viele Besucher kommen zu uns, weil sie etwas Ungewöhnliches erleben möchten. Unser Betrieb ist sehr aktiv in der Umwelterziehung und Forschung - beides ,befruchtet’ die zwei anderen Wirtschaftszweige, Forstwirtschaft und Tourismus. Unser Betrieb ist Ausbildungs- und Forschungs-Betrieb der Universität Toronto, wo ich eine außerordentliche Professur bekleide.
Frage: Welche Ziele verfolgen Sie mit dem Wolf-Zentrum?
Schleifenbaum: Auch hier soll den Besuchern etwas Ungewöhnliches geboten werden: sowohl im Erleben als auch im Lernen. Wo sonst auf der Welt können Menschen ein Wolfsrudel erleben, welches sich wie in der Wildnis verhält. Für dieses Konzept wurden wir vor ein paar Jahren von der internationalen Zoovereinigung ausgezeichnet.
Frage: Möchten Sie auf diesem Weg einen Gruß in Ihre Heimat schicken?
Schleifenbaum: Gerne. Das Sauerland hat mich geprägt. Ich werde daher dem Sauerland, vor allem meinem Geburtsort Fredeburg, dem Dorf Osterwald und dem Hotel Knoche am Rimberg immer verbunden bleiben. Ich freue mich auf meinen nächsten Besuch im Sauerland.