Hagen. Nutzt der Kunstmarkt die katastrophale Finanzsituation der Kommunen, um günstig einkaufen zu können? Diese Frage drängt sich auf, nachdem das Auktionshaus Christie’s und die Stadt Hagen wegen des Gemäldes „Der Auserwählte“ von Ferdinand Hodler in Kontakt getreten waren. Geschätzter Wert: 10 Millionen Euro.
Nutzt der Kunstmarkt die katastrophale Finanzsituation der Kommunen, um günstig einkaufen zu können? Diese Frage drängt sich auf, nachdem das Auktionshaus Christie’s und die Stadt Hagen wegen des Gemäldes „Der Auserwählte“ von Ferdinand Hodler in Kontakt getreten waren. Geschätzter Wert: 10 Millionen Euro.
Diese Summe könnte bei einer eventuellen Auktion locker überboten werden, denn für Hodler werden derzeit Höchstpreise erzielt. „Der Auserwählte“ ist wandfüllender Bestandteil des Raumkunstwerkes Hagener Hohenhof, der in die Welterbe-Liste aufgenommen werden soll.
Während in Hagen darüber diskutiert wird, dass eine 10-Millionen-Euro Spritze dem exorbitanten kommunalen Defizit aufhelfen würde, lehnt man es in Wuppertal ab, Schuldenlöcher mit Kunstverkauf zu stopfen. „An uns ist man mit so einem Angebot noch nicht herangetreten. Aber ein Verkauf von Kunstwerken, nur um Schulden zu bezahlen, wäre nicht ratsam. Angesichts der Wuppertaler Schulden von 1,6 Milliarden Euro wäre selbst ein hoher Preis für ein Kunstwerk nur ein Tropfen auf den heißen Stein, das hätte keine Nachhaltigkeit“, so Sprecherin Ulrike Schmidt-Keßler.
Die Kunst ist für immer weg, die Schulden wachsen weiter: Unter diesem Aspekt sieht Krefelds Oberbürgermeister Gregor Kathstede die Sache. Am Niederrhein hatte die FDP den Antrag eingebracht, städtische Kunstwerke an die Stadtwerke zu verkaufen und dann wieder zurückzuleihen. „Kunst ist aus meiner Sicht nicht dafür geeignet, sie für fragwürdige Finanztransaktionen zu missbrauchen“, stellte Kathstede in einer Erklärung klar. „Wir sollten als Stadt stolz darauf sein, dass wir bedeutende Kunst in unserem Besitz haben.“
Mit Kunst ist auch in der Finanzkrise noch Rendite zu erzielen
Ferdinand Hodlers Werke kommen derzeit für Höchstpreise unter den Hammer. „Der Genfersee von Saint-Prex aus“ erzielte 2007 mit umgerechnet 8,8 Millionen Euro den höchsten Preis, den je ein Gemälde eines Schweizer Malers erreichte. Vor wenigen Wochen erst wurde Hodlers „Der Genfersee von Chexbres aus“ für 5,8 Millionen Millionen Euro versteigert. Ohnehin sind die Sammler im Kaufrausch. „Wenn man sich überlegt, dass der Kunstmarkt dermaßen heiß gelaufen ist, weil viele Anleger denken, mit Kunst sei auch in der Finanzkrise noch Rendite zu erzielen, erscheint die Idee nicht unwahrscheinlich, dass der Markt die Finanznot der Kommunen in seine Überlegungen mit einbezieht“, konstatiert Prof. Dr. Carl-Peter Buschkühle aus Olsberg. Dass Städte sich mit dem Verkauf ihrer Schätze sanieren könnten, hält der Kunstprofessor an der Universität Gießen allerdings für zu kurz gedacht: „Das Geld ist irgendwann weg und das Bild auch, aber die Magnetwirkung des Museums ist ebenfalls weg.“
Die Stadt Hagen bestreitet unterdessen eine geplante Trennung von „Der Auserwählte“. „Ein Verkauf von Kunstwerken ist in Hagen aktuell kein Thema“, so Oberbürgermeister Jörg Dehm gestern. Ein Dementi mit Einschränkungen. Der Bestand des Hohenhofs soll, weil die Stadt das nicht mehr vermag, durch eine Stiftung gesichert werden, die einen ausreichenden Kapitalstock benötige: „Vorschläge, dieses notwendige Kapital zum Beispiel durch den Verkauf eines Kunstwerkes zu erlösen, sollten nicht schon gleich von vorne herein als völlig abwegig bezeichnet werden.“
Die YSL-Auktion
Dr. Alexander Klar, Direktor des Museums Wiesbaden und Gründungs-Leiter des Hagener Emil-Schumacher-Museums, erläutert die Geschäftstaktik. „Die Auktionshäuser sehen, dass Hodler steigt und wollen wissen, wo es Hodler gibt. Dann erstellt jemand eine Recherche, und sie sehen, aha, da gibt es ja noch einen Hodler in einer Stadt, die Mittel braucht.“ Die Vorstellung, am Kunstmarkt würden private Sammler um ihre Lieblingsmaler feilschen, ist ohnehin naiv: Der Markt kreiert den Markt. Wo es einen Auktionsrekord gibt, gibt es Käufer, die spekulativ kaufen, bis hin zu Investmentfonds.
Kunst ist nicht dafür da, um Schulden bezahlen zu können
Wie jeder Museumsleiter lehnt Klar es ab, mit Kunst Schulden zu bezahlen. „Man sollte nur dann etwas verkaufen, wenn man vom Erlös wieder Kunst kauft.“ Auch das Konzept, mit dem Erlös eines Kunstwerkes den Kapitalstock einer Stiftung zu errichten, hält Klar für psychologisch fragwürdig: „Die Stiftung selbst sollte Fundraising für die Kunst betreiben, die sie schützen und erhalten will. Wenn es um den Hohenhof geht und ein zentrales Kunstwerk ist nicht mehr darin, hat man doch einen Argumentationsnachteil.“
Die Stadt Hagen ist tatsächlich so pleite, dass sie ihre Kunstwerke nicht mehr versichern kann. Deshalb lagert der „Der Auserwählte“ im Depot des Osthaus-Museums – bis ab dem 1. Januar 2012 ein Sponsor die Versicherungsbeiträge übernimmt.