Hagen.

Großmutter, warum hast du so große Ohren? Jedes Kind kennt die Antwort auf diese Frage. Im Theater Hagen überlistet die kleine Sophie in den nächsten Wochen den bösen Wolf. „Rotkäppchen“ ist das wohl bekannteste europäische Märchen und steht als Familienstück jetzt in Hagen auf dem Spielplan.

Regisseur Norbert Hilchenbach und Autor Werner Hahn haben aus der bekannten Vorlage der Brüder Grimm eine Entwicklungsgeschichte gemacht. Es geht um eine Mutter-Tochter-Beziehung – und Rotkäppchens Weg durch den Wald ist auch eine Reise zu mehr Selbstbewusstsein. Dazu hat Andres Reukauf wunderbar flotte und verträumte Musik komponiert, die von einer Band gespielt wird.

Als Musiktheater war Hagen die erste NRW-Bühne, die das traditionelle Weihnachtsmärchen nicht als Massenabfertigung abwickelte, sondern bewies, wie sehr eine Handlung gewinnt, wenn die Musik als eigenständige Erzählebene hinzukommt. Außerdem ist es für die Kinder, die in der Regel Klänge nur noch in digitaler Form kennen, spannend, neben den Akteuren auf der Bühne die Musiker der Band zu beobachten - und Effekte zu den Instrumenten zurückzuverfolgen. Etwa, wenn die kranke Großmutter vor dem Herzhäuschen pupst oder wenn der Wolf zur Oma kommt und man ein bisschen Angst kriegt, allein, weil plötzlich ein Schlagzeug spielt.

Sophie und ihre Mutter leben in einer Wirtschaft mitten im Wald. Tisch decken, bedienen: Sophie wehrt sich gegen die langweiligen Pflichten. „Wenn ich erwachsen bin, dann werde ich es anders machen als du. Ich werde eine berühmte Sängerin oder eine berühmte Tänzerin oder beides. Ich werde berühmt und reich“, trotzt sie der Mutter.

„Rotkäppchen“ ist ein dialogintensives Märchen. Damit es nicht allzu textlastig wird, sorgen die Jäger für Aktion. Die sind ein verrückter Haufen mit zusammengewürfelter Ausrüstung von Pfeil und Bogen bis zum Säbel und machen die Szene mit Halli und Hallo in ihrem Jägermobil unsicher.

Solche liebevollen Einfälle prägen die Inszenierung, die im bewussten Gegensatz zur medialen Reizüberflutung die Zaubermaschinerie des Theaters in Gang setzt. Bühnenbildner Jan Bammes hat magische fahrbare Kulissen für den Wald gebaut, der durch den Einsatz von Licht schnell unheimlich werden kann.

Im Allgemeinen wird „Rotkäppchen“ als Märchen vom Erwachsenwerden mit einer Komponente sexueller Gewalt interpretiert. Diese Sicht passt allerdings überhaupt nicht in ein Weihnachtsstück für kleine Kinder. Also verlagert Hilchenbach den eigentlichen Konflikt auf die Mutter-Tochter-Ebene. Die Mama klammert, die Tochter gerät in übermütiger Selbstüberschätzung in Schwierigkeiten. Entsprechend darf der böse Wolf kein Ungeheuer sein, aber auch kein Schoßtierchen. Hilchenbach und Hahn lösen das Dilemma, indem sie den Wolf aus einem Zoo ausbrechen lassen.

Das Ensemble stürzt sich mit großer Begeisterung in seine Aufgabe. Annika Firley kann als Rotkäppchen tanzen und singen und auch noch akrobatische Kunststücke vorführen. Robert Schartel ist als Wolf mit Hexenschuss zunächst mitleiderregend, dann gefährlich. Tillmann Schnieders sorgt als Jäger Hubert mit Kniebeugen und Anschleich-Übungen für viele Lacher.

Warum heißt Rotkäppchen eigentlich nicht Rothäubchen? Auch dieses Rätsel wird in der Inszenierung gelöst, die in einem furiosen Ensembletanz endet, bei dem der Wolf zeigt, dass er nicht nur fressen, sondern sogar Walzer tanzen kann.

Die Premiere ist am Sonntag um 17 Uhr. Bis zum 22. Dezember wird „Rotkäppchen“ in 37 Vorstellungen gespielt. Die Lieder gibt es auf CD. Info und Karten: 02331 / 2073218 und www.theater.hagen.de