Kirchhundem/Hagen. Angrillen, Motorrad fahren, gemeinsam wandern am Karfreitag: Ist der stille Feiertag noch zeitgemäß? Muss die Kirche einschreiten?
Wenn es um den Karfreitag geht, versteht Pater Siegfried Modenbach aus Kirchhundem keinen Spaß. Der Geistliche fordert Rücksicht auf die christliche Tradition, nach der das Gedenken an Kreuzigung und Tod Jesu Christi als stiller Feiertag gesetzlich verankert ist. Allerdings: Selbst im katholisch geprägten Sauerland wissen immer weniger Menschen, warum sie am Karfreitag nicht zur Arbeit oder zur Schule müssen. Die Gottesdienste sind so leer wie immer, dafür stehen Angrillen, Motorradfahren oder andere Aktivitäten hoch im Kurs. Und immer wieder gibt es Streit um öffentliche Veranstaltungen. Wie sollen die Kirchen mit dieser Situation umgehen? Die Pfarrer in der Region sind sich nicht einig.
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„Wer mit dem Christentum nichts anfangen kann, soll Rücksicht nehmen auf die christliche Mehrheit, mehr verlange ich gar nicht“, konstatiert Siegfried Modenbach. Der Pallottinerpater ist einer der Leiter des Geistlichen Zentrums an der Wallfahrtskirche auf dem Kohlhagen in der Gemeinde Kirchhundem. In der Nachbarschaft hatte der Sportverein Brachthausen-Wirme so wie seit Jahren in aller Unschuld für den Karfreitag zu einem geselligen Beisammensein mit Kaffee, Kuchen, Würstchen und Bier eingeladen. Nachdem Pater Modenbach auf Facebook die Veranstaltung kritisierte, gab es so viel Aufruhr von katholischer Seite in den sozialen Medien, dass der Verein das Treffen absagte.
Kirche als Verbotsreligion
Pfarrer Bernd Mönkebüscher aus Hamm hält die Aufregung für scheinheilig. Für ihn muss die katholische Kirche endlich aus dem Image der Verbotsreligion hinauswachsen. „Ich weiß nicht, ob es Kirche gut zu Gesicht steht, wenn ein Sportverein eine Veranstaltung absagt. Das drückt Kirche in eine Rolle, die ich sowieso nicht gut finde. Es gilt doch für alle Feiertage, Weihnachten, Ostern, dass die Leute nicht mehr wissen, was da gefeiert wird.“ Mönkebüscher ist Pfarrer an St. Agnes in Hamm und Leiter des Pastoralverbundes Hamm-Mitte-Osten und Hamm-Mitte-Westen. Er verweist darauf, dass auch in der katholischen Kirche gesellige Karfreitagsrituale zelebriert werden, das gemeinsame Struwen-Essen im Münsterland zum Beispiel. Struwen sind kleine Hefeküchlein mit Rosinen, eine Fastenspeise. Das Museum Religio in Telgte lädt am Karfreitag zum traditionellen Struwen-Essen ein. „Es kann mir doch keiner sagen, dass das ein Opfer ist“, so Mönkebüscher.
Traditionell kommt am Karfreitag kein Fleisch auf den Tisch christlicher Haushalte, es gibt keine Süßigkeiten, der ganze Tag steht im stillen Zeichen der Todesstunde Christi um 15 Uhr. An vielen Orten gibt es Kreuzwegprozessionen, vor allem am Vormittag, da dies der Zeit entspricht, da Jesus selbst diesen Weg gegangen ist. In Menden wird seit Jahrhunderten eine Kreuztracht abgehalten, bei der zu jeder Stunde von Gründonnerstagabend 21 Uhr bis Karsamstagmorgen 6 Uhr Kreuzträger ein lebensgroßes Kreuz über 2,5 Kilometer von der St. Vincenzkirche zum Rodenberg und zurück tragen.
Aber der Karfreitag ist längst auch zum „Car-Freitag“ abgesunken, zum Autofreitag. Tausende Automobilisten treffen sich dann jährlich auf dem Nürburgring, obwohl dort keine Veranstaltung stattfindet und Camping sowie Grillen verboten sind. In Städten und Dörfern kommen auf Balkonen und in Gärten Nackensteaks auf den Rost, die Familien nutzen den Feiertag, um beisammen zu sein. Und immer wieder gibt es Kritik, dass die behördlichen Verbote von öffentlichen Tanzveranstaltungen und weiteren Unterhaltungsangeboten nicht mehr zeitgemäß seien.
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Ist es unter diesen Umständen überhaupt noch sinnvoll, den Karfreitag von Staats wegen besonders zu ehren? „In christlich geprägten Ländern wie Italien und den Niederlanden ist der Karfreitag kein gesetzlicher Feiertag“, argumentiert Pfarrer Mönkebüscher. „Die Frage ist doch: Schütze ich ein Kulturgut? Dann ist es etwas Museales. Oder geht es mehr um den Glauben? Auch die katholischen Karfreitags-Traditionen sind nicht immer von Respekt begleitet, das macht mir keiner weis. Veranstaltungen kann man nicht per se verurteilen. Es geht um die Beweggründe und das Gespräch darüber.“ Genau diese Kommunikation hätte sich Marco Jung als Geschäftsführer des SV Brachthausen-Wirme gwünscht, bevor die Sache zum Social-Media-Aufreger wurde. „Ich akzeptiere seine Sichtweise, aber Pater Modenbach wohnt ungefähr 100 Meter entfernt, warum spricht man nicht miteinander und trägt so ein Thema in den sozialen Medien aus?“ Marco Jung weiter: „Das war immer eine gute Einnahmequelle für den Sportverein. Das war keine Tanzveranstaltung, da lief keine Musik, es war einfach ein Beisammensein.“
Pater Modenbach hält strikt dagegen: „Ich habe mich über die Ignoranz aufgeregt, dass die Leute nicht mehr wissen, warum dieser Tag als stiller Tag begangen wird“, sagt er. „Wer keine religiöse Anbindung mehr hat, der freut sich über vier freie Tage, hat aber keinen Sensus mehr dafür, worum es an diesen Feiertagen geht.“ Modenbach weiter: „Nachdem der damalige Bundespräsident Christian Wulff festgestellt hatte, dass der Islam zu Deutschland gehört, haben sich viele diese Frage gestellt: Ist das so? Wir werden in den nächsten Jahren hier in Deutschland auch die Frage stellen müssen: Gehört das Christentum (noch) zu Deutschland? Um diese Frage – das zeigen alle Statistiken – werden wir nicht herumkommen. Und auch die Politik und die Gesetzgebung werden sich diese Frage stellen müssen – mit allen Konsequenzen. Irgendwann werden christliche Feiertage keine (gesetzgebende) Rolle mehr spielen. Dessen müssen wir uns alle bewusst sein!“
Pfarrer Georg Schröder aus Schmallenberg, Dechant des Dekanates Hochsauerland-Mitte, möchte den Karfreitag nicht zum Gegenstand eines Kulturkampfes werden lassen. „Ich hätte nichts gesagt. Ich freue mich über die, die in die Kirche kommen, aber ich würde den anderen ihren Ausflug nicht schlecht machen“, beschreibt er seine Reaktion, wenn die Veranstaltung in seiner Gemeinde angekündigt worden wäre. „Höchstens, wenn am Karfreitag um 15 Uhr, der Sterbestunde Christi, jemand vor der Kirche Krach macht, würde ich einschreiten.“ Für den Pastor persönlich ist der Karfreitag wichtig, „ich würde niemals Fleisch essen, ich bin immer froh, wenn der Tag vorbei ist“. Aber Schröder hinterfragt auch, was es denn für ein Opfer sei, wenn jemand für Karfreitag den teuersten Fisch kaufe, um auf Fleisch zu verzichten. Die Kirche habe andere Baustellen derzeit.
Die Herausforderung bestehe darin, als Kirche das Karfreitags-Mysterium und die Osterbotschaft so zu verkünden, dass sie eine Relevanz für das Heute haben. Schröder: „Jesus stirbt als einzelner Mensch, ohne Wunder und große Zeichen. Er stirbt wie so viele andere Menschen auch mit Ängsten und Nöten. Was jedoch bleibt, ist die gegenseitige Zuwendung. Sie ist das Gegenprogramm zum Tod. Es bleibt das Vertrauen von Mensch zu Mensch. Einander vertrauen ist eine intensive Weise des Lebens im Angesicht des Todes.“