Lippstadt. Autobauer und Zulieferer wie Hella aus Lippstadt werden zu Datenunternehmen. Auf edle Bleche und viele PS kommt es nicht mehr an.

In der Glitzerwelt von Las Vegas findet alljährlich im Januar die Consumer Electronic Show (CES) statt. Ein Marktplatz für Innovationen und Visionäre - und mittlerweile für die Autobranche und ihre Zulieferer wie Hella aus Lippstadt.

Der erste Videorekorder wurde auf der CES präsentiert, legendäre Computer der ersten Stunden wie der Commodore C64 oder der Atari ST ebenfalls. Seit ein paar Jahren treffen sich aber nicht mehr nur die Elektronikriesen und Techgiganten in der Wüste Nevadas. Die CES ist mittlerweile ein Muss für die Automobilbranche und deren Zulieferer geworden. An der Messe lässt sich ablesen, wie rasant sich Autofahren bereits heute verändert.

Diese Messe ist die neue Welt. Der Stellenwert der CES für die Autobranche ist ähnlich wie der der IAA.
Professor Dr. Stefan Bratzel

Weg von früherer PS-Protzerei, hin zu möglichst nachhaltiger Fortbewegung und fliegenden Taxis. „Innovation in der Autobranche heißt nicht mehr, dass das Blech schön gebogen wird“, sagt Autoexperte Professor Stefan Bratzel. Die CES in Las Vegas findet vom 9. bis 13 Januar statt. „Diese Messe ist die neue Welt“, versichert der Branchenexperte. Für die Automobilhersteller in der alten Welt Europa sei sie mittlerweile mindestens so wichtig wie die traditionelle Internationale Automobilausstellung (IAA), die in Deutschland stattfindet – inzwischen in München – oder die Auto Shanghai in Asien. „Der Stellenwert ist praktisch ähnlich“, sagt Bratzel. Software gewinnt weiter an Bedeutung für die Mobilität von heute und morgen. Für die Autobauer und die Zulieferer heiße dies, „dass sie Datenunternehmen werden müssen.“

Leuchtenkomponenten kleiner als ein Salzkorn

Unter der Dachmarke Forvia ist auch der Licht- und Elektronikspezialist Hella aus Lippstadt gemeinsam mit dem französischen Schwesterkonzern Faurecia im Januar wieder in Las Vegas vertreten. Präsentiert werden die modernsten Flatlight-Rückleuchten mit Mikrooptiken, kleiner als ein Salzkorn und laut Hella um 80 Prozent energieeffizienter als bisherige LED-Leuchten. Ressourcen schonen, Energie sparen, Emissionen reduzieren. Forvia-Chef Patrick Koller spricht am Dienstag in Paris im Vorfeld über die Innovationsshow in Las Vegas als sehe man sich nicht nur als Techkonzern und siebtgrößter Autozulieferer der Welt, sondern auch als verantwortlicher Vorreiter beim Klimaschutz: „Wir als Ingenieure haben nach Lösungen zu suchen, kreativ zu sein“, erklärt Koller mit Blick auf schnelle Reduktion von Emissionen.

Wir als Ingenieure haben nach Lösungen zu suchen, kreativ zu sein, um Emissionen zu senken.
Patrick Koller, Vorstandsvorsitzender

Zu warten ist aus Sicht des Franzosen keine Option mehr – und wäre aus unternehmerischer Sicht wohl auch fatal. Koller spricht eine Stunde lang mehr darüber, wie Forvia – und damit auch Hella und Faurecia – zur Nachhaltigkeit rund ums Auto beitragen, weniger über technische Innovationen wie das neue integrierte Display in 3D, das gerade im Vorfeld der Messe in Las Vegas einen CES-Innovationsaward erhalten hat. Das variabel gestaltbare „Armaturenbrett“ soll für ein Vielfaches an Sicherheit beim Fahren sorgen. Der Blick der Person hinter dem Lenkrad (wer weiß, wie lange man so etwas noch braucht?) werde kaum mehr durch Aufleuchten abgelenkt, Anzeigen nur noch bei Bedarf eingeblendet. Zu mehr Sicherheit sollen auch elektronische Spiegel beitragen, „eMirror Safe UX“ heißt die Entwicklung, die den vom Fahrlehrer eingebläuten Schulterblick gänzlich überflüssig werden lassen dürfte.

160.000 Beschäftigte in rund 300 Werken

Software macht es möglich. Das Auto wird immer mehr zum rollenden Computer, ausgestattet mit Komponenten, in denen zunehmend Recycling- und Biomaterialien verbaut werden und deren Interieur maximal wiederverwertbar sein muss, wenn es zukunftsfähig sein soll. „Die OEM (Autohersteller) verlangen dies immer mehr“, erklärt Patrick Koller. Beim Autozulieferer werde aber auch darauf geachtet, dass die rollenden Computer bezahlbar bleiben, neueste Technologien nicht nur für Autos in der Ober- und Premiumklasse erdacht werden. „Man darf nicht vergessen, dass Mobilität ein Menschenrecht ist“, betont der Topmanager Koller und denkt dabei vermutlich auch an die potenziell größten Absatzmärkte im bevölkerungsreichen Asien. Mit Top-Technologien das Klima und die Welt retten – und nebenbei das Geschäftsmodell, an dem bei Forvia in 300 Fabriken rund 160.000 Beschäftigte arbeiten.