Lüdenscheid. Über 50 Seiten umfasst ein Maßnahmenpaket, das die Region erdacht hat, um sich aus der A-45-Patsche zu ziehen. Was ist daraus geworden?

Das war ein großer Aufschlag: Mehr als 100 schlaue Menschen aus der Region steckten vor gut einem Jahr die Köpfe zusammen, um Südwestfalen nach der Sperrung der A 45 nicht in ein tiefes Loch fallen zu lassen. Unternehmen, Hochschulen, Berufskollegs, Kreise, Kommunen, Wirtschaftsförderungen, Kammern, Gewerkschaften, Verbände, Verkehrsträger, Energieversorger, alle waren dabei. Ihre Ziele: die Bildungs- und Forschungslandschaft stärken, die klimaschonende Mobilität der Zukunft fördern, die Fachkräfte der Zukunft gewinnen. Gemeint war: die Region vor dem Hintergrund der gesperrten Hauptverkehrsader nicht den Bach heruntergehen zu lassen. Ende November 2022 präsentierte die Gruppe ihren 53-seitigen Maßnahmen- und Forderungskatalog und nannte ihn „Südwestfalen startet durch“.

War es am Ende auch ein großer Wurf?

Nein, vom großen Standortsicherungspaket haben allenfalls ein paar Päckchen das Licht der Welt erblickt. Einige Projekte sind umgesetzt worden oder stehen vor der Realisierung. Etwa der Hub 45, der neue Orte des digitalen Arbeitens schafft. Pendler müssen nicht mehr im A-45-Stau stehen, sondern stellen ihren Bürostuhl in einem Co-Working-Space an einem anderen Ort auf. Oder das Bildungsprojekt Tumo, bei dem sich junge Menschen digital fortbilden können. Kürzlich wurden dafür mehr als sechs Millionen Euro Fördermittel freigegeben, die ohne Autobahn-Misere sicher nicht nach Lüdenscheid geflossen wären.

Stottern schon beim Start

Das hilft der Region, aber eine umfassende Standortsicherung sieht anders aus. „Südwestfalen startet durch“ stotterte schon beim Start. Denn von Anfang an war nicht geklärt, wer denn die Umsetzung der guten Ideen im politischen Raum vorantreiben sollte. Der Südwestfalen-Agentur, die sich zuvor um die Vernetzung der Stakeholder gekümmert hatte, fehlte ein klares Mandat und die personellen Möglichkeiten für die weitere Umsetzung. Auch deshalb fand das Konzept nur über Umwege Zugang zu den zuständigen Ministerien in Düsseldorf und Berlin.

Die Idee, möglichst viele Südwestfalen per Sonderzug zu einem parlamentarischen Abend in die Bundeshauptstadt zu schicken und dort den Katalog zu präsentieren, scheiterte unter anderem am geringen Bedürfnis von Ministern, sich die Leviten lesen zu lassen. Vielleicht auch am Desinteresse.

Nun plätschert alles so da hin, die neue Brücke ist ja im Bau. Die Wirtschaft fordert nach wie vor einen Nachteilsausgleich. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) weiß nicht so recht, wie er mit diesem Begriff umgehen soll, zumal mittlerweile das Geld knapp wird. Er hat zumindest versprochen, dass die Straßen, die gerade wegen der Autobahnsperrung zu Klump gefahren werden, auf Kosten des Landes saniert werden, sobald die Brücke steht.

Derweil schluckt der Parlamentarische Untersuchungsausschuss zur A 45 im Landtag pro Jahr eine Million Euro Steuergeld; wenn er am Ende Konsequenzen an den Tag legen würde, wäre das eine positive Überraschung. Apropos eine Million: So viel hat Lüdenscheid im Jahr 2022 mit Radaranlagen eingenommen – dreimal so viel wie vor der Sperrung der A 45. Geld, auf das die Stadt wohl gerne verzichten würde.