Hagen. Erst nach und nach wird klar, welche Auswirkungen der massive Hacker-Angriff auf die Rathäuser in Südwestfalen hat. Was noch geht – und was nicht.
In Südwestfalens Amtsstuben ist die Verunsicherung durch den Hackerangriff an Tag zwei groß. In der Nacht zu Montag wurde eine massive Cyberattacke auf die Kreisverwaltungen und Rathäuser in Südwestfalen sichtbar. Das Ausmaß des Schadens ist noch nicht genau bekannt. Von Siegen bis Soest und Olpe bis Meschede sind die Bemühungen groß, die Bürgerinnen und Bürger bestmöglich zu informieren, ohne gleichzeitig die mutmaßlichen Profi-Hacker mit Informationen zu füttern und möglicherweise weitere Angriffsfläche zu bieten.
Der Bürgermeister einer der vom IT-Ausfall betroffenen Kommunen in Südwestfalen sagte im Gespräch mit dieser Zeitung, dass er nicht mit einer schnellen Lösung des Problems rechne. „Ich stelle mich auf einen sehr langen Ausfall der Systeme ein“, so der Politiker. Zudem zeigte er sich „sehr unzufrieden“ mit der Kommunikation seitens des Dienstleisters Südwestfalen-IT (SIT), der in der Nacht zu Montag Ziel des Cyberangriffs war. „Ich weiß nichts, wir bekommen keine Infos“, sagte der Bürgermeister; SIT äußerte sich auf Anfrage nicht zu der Kritik.
Auch erklärte der Bürgermeister, dass der Kreis inzwischen die Pressehoheit an sich gezogen habe, damit nicht jede Kommune eigene Wasserstandsmeldungen abgebe.
Was geht noch, was nicht? Ein Überblick..
Sozialleistungen
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Die bange Frage war am Dienstag auch: Müssen diejenigen, die besonders wenig Geld haben, jetzt auf Sozialleistungen warten, die die Kommune ja in der Regel auszahlt? Beim besonders betroffenen Kreis Siegen-Wittgenstein („Grundsätzlich geht erstmal fast gar nichts“) zeigt sich ein Behördensprecher erleichtert, dass Sozialleistungen bereits vor dem Wochenende ausgezahlt worden seien. Gleiches gilt auch für die Stadt Soest: Die Auszahlungen von Sozialleistungen seien für November erfolgt, bevor wegen der Cyberattacke die Systeme heruntergefahren werden mussten. „Aktuell sind also weder Empfänger von Grundsicherung noch Menschen betroffen, die nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Geld erhalten“, sagt Stadtsprecherin Brigitte Sliwa.
Auch im Hochsauerlandkreis habe man dank der Sparkasse Hochsauerland eine Auszahlungsmöglichkeit gefunden, heißt es vom Kreissprecher.
Sterbeurkunden und Bestattungen
„Solange die Systeme ausgefallen sind, können keine Sterbeurkunden ausgestellt werden“, erklärt Henrik Giesler, Vorsitzender der Bestatter-Innung Kreisverband Olpe und Siegen-Wittgenstein. Die Bestattungsabläufe blieben davon jedoch weitestgehend uneingeschränkt. Bei einer fehlenden Sterbeurkunde erhalte das Bestattungsunternehmen eine vorläufige Bestattungserlaubnis: „Mit einer solchen Rückstellung können wir dann einäschern, beerdigen und überführen.“ Auch die Friedhofsämter seien unter einer Notfallnummer erreichbar, sodass Beerdigungstermine vereinbart werden können. Angehörige müssten sich demnach keine Sorgen machen. „Bei uns läuft erstmal alles rund, mit ein paar Stolpersteinen“, sagt Giesler. Größere Auswirkungen habe der Systemausfall auf die organisatorischen Abläufe, wie beispielsweise die Abmeldung Verstorbener und die Beantragung von Witwenrenten. Da sehe Giesler einen enormen Nachbearbeitungsaufwand, der auf die Standesämter zukomme. „Je nachdem, wie lange die Situation andauert, können die Folgen des Angriffs noch deutlicher spürbar werden“, erklärt der Bestattungsunternehmer.
Heiraten
Von der Problematik, dass in den Standesämtern keine Urkunden ausgestellt werden können, sind auch Eheurkunden betroffen. Für Brautpaare, die schon einen Termin im Standesamt haben, habe der Systemausfall vorerst keine Konsequenzen, wie Heike Rudolph, Pressesprecherin der Stadt Schwelm, erklärt: „Terminierte Hochzeiten finden auf jeden Fall statt.“ Bis zum Jahresende sei das Standesamt der Stadt Schwelm mit Terminen für Trauungen ausgebucht. Neue Hochzeitsanmeldungen seien derzeit jedoch nicht möglich.
Autos anmelden
„Ich habe keine Phantasie, wie die Zulassungsstellen das hinbekommen wollen. Siegel, Versicherungs-Pins, alles läuft bei Kfz-Zulassungen digital“, sagt Wolfgang Keller, Inhaber des Autohauses Keller mit Sitz in Siegen. Von den sechs Filialen sind die in Siegen, Kreuztal, Olpe und Lüdenscheid von dem IT-Ausfall bei den Städten mit deren Zulassungsstellen betroffen. Für dringende Notfälle könnte das Autohaus Vorführwagen in den beiden nicht betroffenen Städten Limburg und Hagen zulassen. In akuten Fällen wird improvisiert. „Heute Morgen hatte ich einen Kunden, dessen Auto ein Totalschaden ist. Der braucht jetzt dringend ein neues Fahrzeug. Hoffen wir das Beste“, sagt Keller. Wie dem Siegener Autohaus wird es zahlreichen Händlern in den Kommunen gehen, in denen durch Cyberattacke auch die Zulassungsstellen lahmgelegt wurden.
Unternehmen/Schwertransporte
Unternehmen im Raum Siegen-Wittgenstein und im Kreis Olpe sind nach ersten Erkenntnissen durch die Cyberattacke auf zahlreiche Kommunen nicht eingeschränkt. Genehmigungen von Transporten werden zwar über die Kreisbehörden abgewickelt, allerdings über die Plattform „Vemags“, die nicht über den Server des angegriffenen Dienstleisters Südwestfalen IT laufe, teilt die Industrie- und Handelskammer Siegen mit.
Der Hochsauerlandkreis bittet Handwerker, „uns Rechnungen per Post zuzusenden“, sagt Jürgen Uhl, stellvertretender Kreissprecher. Immerhin: eine feierliche Einbürgerungsveranstaltung konnte im Kreishaus am frühen Dienstagnachmittag ganz analog mit händischer Urkundenübergabe stattfinden.
Allerheiligenkirmes
Es stellt sich eine Frage, die vor zwei Tagen noch bloße Theorie war: Könnte auch die Allerheiligenkirmes in Soest in Gefahr sein? Die beginnt in der kommenden Woche und lockt regelmäßig viele Zehntausend Besucher. Organisiert wird sie von der Stadt - und die ist auch von der Cyberattacke beim kommunalen Dienstleister Südwestfalen-IT betroffen. Brigitte Sliwa, die Sprecherin der Stadt gibt aber Entwarnung: „Nein, die Durchführung ist nicht gefährdet.“ Schausteller können die Stadt bei Fragen telefonisch im Vorfeld der Kirmes erreichen – das funktioniere im Gegensatz zu E-Mails. Die interne Kommunikation funktioniere ebenfalls.