Brilon/Berlin. Die Baubranche steckt in der Krise. Ob bei Neubauten wirklich immer alle Normen eingehalten werden müssen, wird jetzt diskutiert.
Die Zahl der Baugenehmigungen ist drastisch gesunken. Kein Wunder: Angesichts gestiegener Zinsen und in die Höhe schießender Baupreise können sich viele Familien den Traum vom Eigenheim nicht mehr leisten. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) zieht deshalb bei der geplanten Erhöhung der Energiestandards für Neubauten die Notbremse. „Wir müssen auch eine Debatte führen, ob wir weitere Standardverschärfungen wirklich durchführen sollten“, sagte sie bei RTL. Es geht um einen Passus im Koalitionsvertrag, wonach der Energieeffizienzstandard EH-40 für Neubauten ab Anfang 2025 vorgeschrieben werden soll. Damit würden Vorgaben zur Stärke der Dämmung verschärft.
Dass Dirk Wiese, SPD-Fraktionsvize im Bundestag, den Vorschlag seiner Parteifreundin gutheißt, ist keine Überraschung. Der Briloner geht aber noch einen Schritt weiter. „Die Bauwirtschaft befindet sich in einer extrem schwierigen Phase. Viele Bauvorhaben auch bei uns im Sauerland liegen auf Eis. Höhere Zinsen und steigende Baukosten machen es aktuell für viele Bauwillige sehr schwer“, sagte er dieser Zeitung. Die „einseitige Fokussierung auf noch stärkeres Dämmen“ sei oft auch kontraproduktiv. Wiese fordert deshalb, die Holzbaustrategie zu beschleunigen und beim Neubau einem einfachen Gebäudetyp mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
3000 Din-Normen im Baubereich
Bei diesem Gebäudetyp E, den die Architektenkammern vorgeschlagen haben, sollen bürokratische Hürden abgebaut werden. Das E steht dabei für einfach oder für experimentell. In Deutschland gibt es derzeit neben den Baurechtsgesetzen auf Bundes- und Landesebene noch rund 3000 Din-Normen, die sich auf den Baubereich beziehen.
Beim Typ E sollen nur noch die baurechtlichen Vorgaben zwingend gelten, die für die Bereiche Umweltschutz, Standsicherheit und Brandschutz wichtig sind. Alles andere sollen Bauherr und Architekt in einem privatrechtlichen Vertrag regeln. Experten glauben, dass man etwa bei der Dicke von Geschossdecken oder beim Schallschutz von den Normen abweichen kann. In Bayern ist der Gebäudetyp E bereits eingeführt worden. Um ihn bundesweit zu etablieren, müssten unter anderem Gesetze geändert werden