Dortmund. Seit 1990 sind laut Handwerkskammer Dortmund die Azubizahlen im Handwerk um ein Drittel gesunken. Neue Bildungszentren sollen Nachwuchs locken.
Weit mehr als 160 Millionen Euro will die Handwerkskammer Dortmund in den kommenden Jahren verbauen und so ihre Bildungszentren am Hauptsitz in Dortmund und in Soest zu attraktiven Leuchttürmen der beruflichen Bildung ausbauen. Damit will man den gestiegenen Ansprüchen junger Menschen auf dem Weg ins Berufsleben gerecht werden und den rund 20.000 Betrieben, die die Kammer vertritt, beim Wettlauf um Fachkräftenachwuchs einen Vorsprung gegenüber Industrie wie Dienstleistern verschaffen.
Eisspeicherheizung in Soest
Am Hauptsitz in Dortmund lässt Carsten Harder, Hauptgeschäftsführer der Kammer, den Blick schweifen und erklärt, was sich hier in Kürze alles verändern wird, welche Gebäude abgerissen, welche neu gebaut werden – vorausgesetzt, bis Ende dieses Jahres liegt der Förderbescheid vom Bund vor. Maximal 80 Prozent der Kosten sollen über staatliche Mittel abgedeckt werden. Einen hohen zweistelligen Millionenbetrag trägt die Kammer selbst. Galoppierende Preise machen auch vor den Kammervertretern der Bau- und Ausbaugewerke nicht halt. Als Landesarbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) im Februar dieses Jahres einen Förderbescheid mit nach Soest brachte, orientierte sich die Unterstützung noch an den eingereichten Plänen mit Kosten in Höhe von 61,7 Millionen Euro. Inzwischen schätzt Kammer-Hauptgeschäftsführer Harder den Betrag bereits auf rund 64 Millionen Euro. Auch die geplanten 100 Millionen Euro Investitionssumme am Standort Dortmund dürften eher überschritten werden, glaubt der Experte. Je länger der Förderbescheid für Dortmund auf sich warten lässt, desto teurer wird es wohl werden.
Im Bildungszentrum in Soest ist man einen Schritt weiter als in der Westfalenmetropole. Die Bauarbeiten sollen im September starten. Nicht nur die Schulungsräume und Werkstätten sollen modern gestaltet werden, es soll Begegnungsbereiche geben und modernste Technik verbaut werden. In Soest wird zur Wärmeerzeugung eine Eisspeicherheizung eingesetzt. Eine besondere Technik, bei der eine mit Wasser gefüllte Zisterne im Erdreich genutzt wird. In Kombination mit mehreren Wärmepumpen und einer Fotovoltaikanlage soll dies eine passive Kühlung der Hallen im Sommer und eine sehr klimaschonende Beheizung im Winter ermöglichen. „Wir wollen im Bildungszentrum in Soest diese moderne Technik auch zeigen können“, sagt Harder. Am Standort Dortmund ist dies so nicht möglich. Das Ruhrgebiet ist Bergbaugebiet. Wo genau welche Stollen verlaufen, weiß man offenbar nicht genau. Erdwärme ist hier kaum möglich. Fernwärme absehbar auch nicht, bedauert Handwerkskammerpräsident Berthold Schröder.
Die enormen Investitionen der Handwerkskammer sind auch dank einer für die Mitgliedsbetriebe obligatorischen Ausbildungsumlage möglich, die es im Kammerbezirk gibt. Eine Besonderheit, wie Schröder sagt, der überzeugt zu sein scheint, dass das Geld sinnvoll investiert wird. Gegenüber den 90er Jahren habe die Zahl der Auszubildenden im Kammerbezirk um ein Drittel abgenommen. Bei stetig geringer werdenden Schulabgängerzahlen spitzt sich das Buhlen um Nachwuchs von Jahr zu Jahr zu.
Starke Frauen, starkes Handwerk
Das Handwerk investiert dabei auch in pfiffiges Marketing wie die Kampagne „Starke Frauen, starkes Handwerk“, entstaubt nicht nur die Bildungszentren, sondern versucht auch ein modernes Bild vom Handwerk in den Köpfen zu zeichnen.
Wie viele Hände in Zukunft im Bau- und Ausbaugewerbe gebraucht werden, hängt nach Schröders Ansicht auch davon ab, wie die Politik in Berlin gestaltet wird, die er kritisch sieht: „Wir müssen eine Reihe von Bauvorschriften noch einmal schleifen, sonst wird niemand mehr bauen, weil es zu teuer wird.“ Im Vergleich zum Ausland werde die Latte bei der Gebäude-Energieeffizienz einfach zu hoch gelegt. Bereits in diesem Jahr werde das Ziel, 400.000 neue Wohnungen in Deutschland zu bauen, „krachend verfehlt“. Für das kommende Jahr sehe es noch schlechter aus. Das berge „sozialen Sprengstoff“, prophezeit der Präsident.