Gevelsberg. Constanze Gouveia Wohlfarth ist Naturgärtnerin. Kirschlorbeer und Co. haben bei ihr keinen Platz – Wildbienen und Käfer umso mehr.
Constanze Gouveia Wohlfarth strahlt und sprudelt los. Naturgärten sind ihr Thema. Das ist offensichtlich, wenn man sich dem Haus der Familie in Gevelsberg nähert. Es liegt in einer Sackgasse. Eine typische Einfamilienhaussiedlung. Um die Adresse zu finden, braucht es keine Hausnummer. Die sieht man ohnehin nicht auf Anhieb, dafür ein fahrbares Regal mit frisch gezogenen heimischen Pflänzchen am Straßenrand am Beginn der langen Einfahrt neben dem Haus, die sich die Natur erobert hat.
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„Guten Tag, ich bin die, die ohne Handschuhe in der Erde buddelt.“ Constanze Gouveia Wohlfarth, aufgewachsen in Hagen-Haspe, interessiert sich schon seit ihrer Kindheit für Pflanzen und alles, was kreucht und fleucht. Die 41-Jährige hat Pharmazie studiert und bis zur Geburt ihrer heute fünfjährigen Tochter als Apothekerin gearbeitet. Von Kollegen bekam sie wegen ihrer Leidenschaft für handgemachte Salben und heilende Teemischungen den Spitznamen „Kräuterhexe“.
Auf keinen Fall Geranien
Die Kräuterhexe Constanze kann vermutlich jede Pflanze mit lateinischem Namen benennen, jedenfalls alle, die in ihrem Paradies vor der Haustür angesiedelt sind – und sie erkennt sofort, ob sie hier richtig sind oder, ob es sich um Neophyten handelt – Pflanzen aus fremden Ländern, die heimische Sorten zu verdrängen drohen. „Heimisch ist, was vor Kolumbus bereits hier war.“ Nur, was war noch einmal vor Kolumbus? „Auf keinen Fall Geranien. Die sind komplett nutzlos.“ Die Naturgärtnerin ereifert sich etwas darüber, dass Pflanzen in heimischen Gärten verbuddelt werden, die nichts zur Artenvielfalt und so für den Klimaschutz beitragen, sondern sogar kontraproduktiv seien.
1600 Quadratmeter groß ist das Gelände, auf dem sie sich austobt. Die vorderen 600 Quadratmeter, das ursprüngliche Grundstück, auf dem vor neun Jahren das Einfamilienhaus gebaut wurde, sind (noch) recht normal: Terrassen, gezirkelten Flächen. Bis vor kurzem bewegte sich hier sogar ein Mähroboter über den Rasen. „Kaputt“, sagt die Gärtnerin – „nicht schlimm“, bemerkt sie lächelnd.
Hinten heraus beginnt das Reich der „Kräuterhexe“. Eine enorme Vielfalt an Pflanzen und Farben beglückt das Auge des Betrachters. Der Garten ist nach einem genauen Plan von ihr angelegt worden. „Mein Garten hat drei große Bereiche.“ Erstens eine Pufferzone zu den Nachbarn Samenvielfalt macht am Gartenzaun eben nicht Halt.
Das gilt in jede Richtung. Gouveia Wohlfarth zeigt auf die Blätter eines Birnbaums in der zweiten, der Gemüse und Ertragszone ihres Gartens. Gelbliche Flecken machen sich breit. „Irgendwo im Umkreis von bis zu 500 Metern wächst ein chinesischer Wacholder und verbreitet diesen Pilz, der die Blätter der Birne angreift.“ Mit einem einheimischen Wacholder gäbe es dieses Problem nicht. „Leider empfehlen auch viele Garten- und Landschaftsbauer Pflanzen, die nicht hierhergehören, oft aus Unwissenheit“, vermutet sie. Ein gängiges Beispiel: Kirschlorbeer, der nur wenigen Vögeln Futter bietet. Liguster wäre eine sinnvolle Alternative.
Auf dem leicht ansteigenden Gelände eröffnet sich der Blick auf eine etwa 15 Quadratmeter große, leicht ovale Fläche, die nach Baustelle aussieht. Kies, Steinchen, Schotter, Sand. Ein neues Magerbeet. Eine Totholzwurzel liegt bereits auf dem Präsentierteller. Ein idealer Lebensraum für Insekten. Das skulpturenhafte Stück Holz ist ein ansehnliches Kunstwerk der Natur. Ein paar Meter weiter steht einer von mehreren Faulbäumen in Gouveia Wohlfarths Garten. „Es ist der einzige Strauch, an dem der Zitronenfalter seine Eier legt.“ Ziemlich sicher kommt der Schmetterling, wenn der genügsame Strauch im Garten steht. So einfach.
Einzelgänger Wildbiene
Es beginnt die dritte, die „Hot-Spot-Zone“. Entlang des unversiegelten (!) Weges in den oberen Teil des Gartens wächst die wilde Möhre. Sie liebt mageren Boden, ein Markenzeichen für Naturgärten. In diesem Areal hat die Gevelsbergerin mehrere Wildblumenwiesen angelegt, nur mit heimischen Sorten. „Leider sind die Samen in Mischungen von Bau- und Gartenmärkten meist keine heimischen Sorten, also nicht empfehlenswert“, sagt die Expertin. Sie richtet alles darauf aus, es Käfern und möglichst vielen der über 500 verschiedenen heimischen Wildbienenarten nett zu machen. „Diese Bienen sind Einzelgänger und stechen daher nicht, weil es ihr Ende bedeuten würde.“ Gegen die Honigbiene hat die 41-Jährige nichts, „sie ist ein Haustier und weit weniger nützlich für die Bestäubung als beispielsweise Käfer.“
Um der Artenvielfalt willen hat sie einen Totholzkeller für Käfer angelegt – eine 70 Zentimeter tiefe Grube mit Holzresten. Den Hang hinauf geht es vorbei an einem Sandarium, Lebensraum für erdnistende Wildbienen. Auch ein Teich, den zu trockenen Stunden Libellen umschwärmen, fehlt nicht.
Constanze Gouveia Wohlfahrts Garten ist Lebens- und Rückzugsraum für viele Pflanzen, Insekten und Tierarten, aber auch für sie und ihre Familie. Im obersten Teil des Naturgartens steht ein Knusperhaus mit Holzterrasse zum Teich. Es ist ein Refugium mit einem bequemen Lesesessel und einer Empore zum Übernachten, wenn man sich in einer warmen Sommernacht einmal vom Zirpen der Grillen einschläfern, oder in der späten Dämmerung die Fledermäuse auf Insektenjagd beobachten möchte. Wunderbares, wildes Paradies.
Um mit dem Naturgärtnern zu beginnen, muss nicht sofort alles auf den Kopf gestellt werden. „Ich habe hier nach und nach begonnen und muss selbst noch viel lernen. Starten kann man sogar im Balkonkasten“, ermuntert die Gevelsbergerin. Ihr Wissen gibt die 41-Jährige mittlerweile gerne weiter. Unter „Wildblütenkonfetti“ findet man sie mit eigener Internetseite oder auch bei Instagram.