Gladbeck. Der Wacken-Besuch dreier Gladbecker Metalfans fällt ins Wasser. Dafür erleben sie echte Solidarität und ein Minifestival vor dem HSV-Stadion.

„Natürlich sind wir enttäuscht. Da haben wir uns das ganze Jahr drauf gefreut. Und wir haben für die ganze Woche Vorräte gekauft.“ Marcus Jacobi sitzt im Wohnmobil und fährt in Richtung Heimat, Richtung Gladbeck. Falsche Richtung, eigentlich sollte es ins Dörfchen Wacken gehen, zum bekanntesten Metal-Festival der Welt. Das ist aber prominent ins Wasser gefallen, wegen anhaltendem Starkregen und knietiefen Schlammfeldern hat der Veranstalter einen Einlassstopp verhängt, wer bis Dienstagnacht noch nicht auf dem Gelände war, kommt nicht mehr rein. Sogar der Metal-GAU steht noch im Raum: der vorzeitige Abbruch des Festivals.

Für Marcus Jacobi und seine zwei Metalfreunde steht jedenfalls schon am Mittwochmorgen fest: Das fünfte Mal Wacken für das Trio kommt erst im nächsten Jahr. „Wir sind am Dienstagmorgen gegen 8 Uhr in Gladbeck losgefahren, da waren wir noch einigermaßen guter Dinge“. Um 14 Uhr rollt das Wohnmobil schließlich in Wacken ein, grob gesehen, denn die Karawane der Metal-Wohnmobile staut sich kilometerweit aus dem Örtchen heraus.

Wacken säuft ab – aber nicht die Solidarität der Wackener

„Und das war dann, trotz der Enttäuschung wunderschön anzusehen: Die Anwohner haben den Metalheads ihre Gärten geöffnet und Kaffee serviert, ein Baumarkt hat die Ausstellungs-Lauben aus seinem Gartenmarkt herausgeholt, damit sich die Leute unterstellen konnten. Es hat ja weiterhin gegossen.“ Jede freie Scheune sei von den Bauern zur Verfügung gestellt worden, damit die langen Mähnen der Metaller möglichst trocken bleiben, aber irgendwann stieß selbst die Hilfsbereitschaft der Dorfgemeinschaft an ihre Grenzen.

Das Beste draus gemacht: Der Gladbecker Marcus Jacobi (m.) und seine Metal-Mitstreiter feierten Wacken kurzerhand auf dem HSV-Parkplatz.
Das Beste draus gemacht: Der Gladbecker Marcus Jacobi (m.) und seine Metal-Mitstreiter feierten Wacken kurzerhand auf dem HSV-Parkplatz. © Privat | Marcus Jacobi

„Es gab dann die Anweisung, nicht mehr ins Dorf reinzufahren, weil alles voll ist. Im Radio haben wir gehört, dass man auf dem Parkplatz vor dem HSV-Stadion campieren kann. Da haben wir uns direkt auf den Weg gemacht, gegen 16 Uhr waren wir da.“ Was dann passiert, zeigt, warum die so martialisch anmutenden Metaller einen so guten Ruf haben: „Alle haben ihre Grills ausgepackt, saßen zusammen, haben Musik gehört und gefeiert. Das ist einfach die Wacken-Gemeinde.“ Und ganz kurz weicht die Enttäuschung in Jacobis Stimme einer viel schöneren Regung: Stolz.

Einlassstopp in Wacken: Metalhead hat Verständnis

Trotzdem, wenn es während des Mini-Wackens vor dem HSV-Stadion noch Hoffnung auf ein Metal-Happy-End gab, sie wurde am frühen Mittwochmorgen zerschlagen: absoluter Einlassstopp, Kapazität begrenzt auf 55.000 Menschen. Bei allem Frust, Marcus Jacobi kann das verstehen. „Ich habe gehört, dass ein Auto gebrannt hat, die Feuerwehr ist überhaupt nicht durch den Schlamm gekommen. Und wenn es weiterregnet und die Autos am Montag alle von Treckern vom Acker gezogen werden müssen: Die sind ja Tage beschäftigt.“

Für alles gesorgt: Der Parkplatz am HSV-Stadion wurde kurzerhand zu einem Campingplatz für gestrandete Wacken-Besucher – inklusive Dixiklos.
Für alles gesorgt: Der Parkplatz am HSV-Stadion wurde kurzerhand zu einem Campingplatz für gestrandete Wacken-Besucher – inklusive Dixiklos. © Privat | Marcus Jacobi

Also heißt es am Mittwochmorgen: On the Road again, diesmal Richtung Gladbeck. Marcus Jacobi ist hoffnungsfroh. „Es wurde erzählt, dass die Tickets wohl für das nächste Jahr ihre Gültigkeit behalten könnten, da arbeitet man gerade dran.“ Das wäre schonmal ein Anfang, pro Nase haben die Gladbecker Metalfans nämlich 299 Euro bezahlt, dazu noch einmal 276 Euro für einen Wohnmobil-Stellplatz.

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Heavy Metal im heimischen Garten statt auf dem nassen Acker

Bleibt die Frage: Wohin mit dem ganzen Grillgut, und mit den fünf Urlaubstagen, die ja nun ungenutzt in den Schlamm zu fallen drohen? „Wenn wir in Gladbeck sind, setzen wir uns in den Garten und Grillen erstmal an“, sagt Jacobi, immer mit der Ruhe – Metal eben. „Dann hören wir zusammen Musik oder gucken uns den Livestream vom Festival an, wenn es denn stattfindet.“ Denn für die Gladbecker geht es gar nicht so sehr um die Musik, zumindest nicht um alle Wacken-Stilrichtungen. „Das ist ein Ritual für uns. Wir lieben diese Atmosphäre, diese spezielle Metal-Stimmung.“ Und wenn der Metaller nicht nach Wacken kann, holt er sich Wacken halt in seinen Gladbecker Garten.