Kirchhundem/Münster. Viele Katholiken zweifeln an ihrer Kirche. Die Austrittszahlen brechen alle Rekorde. Lukas Färber ist sogar Hauptamtlicher. Warum er geht.

Gehen oder bleiben? Das ist eine Frage, die viele Katholiken beschäftigt. Lukas Färber hat sich entschieden. Er geht. Sein Beispiel zeigt, dass es inzwischen gerade die Engagierten sind, welche aus der katholischen Kirche austreten. Denn der 25-Jährige aus Kirchhundem ist seit seiner Jugend als Ehrenamtler, später im Hauptamt und als Delegierter des Synodalen Weges für seine Kirche aktiv. Inzwischen hält er die Institution nicht mehr für reformierbar. Der Synodale Weg habe vor allem Ohnmachtserfahrungen erzeugt. Aber: „Ich bin und bleibe getauft. Ich bin und bleibe Christ. Ich bin und bleibe Jugendverbandler. Ich bin und bleibe Träumer und Botschafter für eine gerechte Kirche und Welt.“

Lukas Färber ist nicht der einzige Jugendverbandler, der die Kirche verlässt. Seinen Austritt hat er in den sozialen Medien öffentlich gemacht. Die Resonanz war gewaltig. Fast alle katholischen Nachrichtenportale berichteten, dazu kommen die unmittelbaren Reaktionen in Form von Kommentaren. Einige stammen von Hasspredigern. Aber die meisten sind ebenfalls erschütternde Dokumente zum Zustand der Amtskirche, denn sie beweisen, dass Lukas Färber nicht alleine steht mit seiner Zerrissenheit, seiner Gewissensqual. „Dieses Hadern mit der Institution begleitet mich schon relativ lange“, beschreibt Färber den Prozess, der zu seiner Austrittsentscheidung geführt hat. „Ich habe schon früh gemerkt, dass man oft unnötig Steine in den Weg gelegt kriegt und dass das, was ich unter Glauben verstehe, zu wenig Platz hat. Es gab aber immer Gründe zu bleiben, ich habe mich eingebracht und wollte mit dafür sorgen, dass es besser wird. Deshalb habe ich mich auch um einen Platz der U30-Jährigen beim Synodalen Weg beworben.“

Jugendverbände als Heimat

Lukas Färber war Messdiener zu Hause in Rahrbach, er war in der Katholischen Landjugend (KLJB) im Sauerland als Gruppenleiter und geistlicher Leiter der Ortsgruppe aktiv, er hat sich in der Firmvorbereitung engagiert und im Prozess der Pastoralen Räume im Erzbistum Paderborn. Seit seinem Studium in Münster war er in der Diözesanleitung der Katholischen Jungen Gemeinde, hauptamtlich war der Sozialpädagoge Jugendreferent einer Gemeinde im Münsterland und arbeitet heute für den Bund Deutscher Katholischen Jugend (BDKJ) Münster und dessen 72-Stunden-Aktion. „Dieses Engagement endet nicht. Ich bin und bleibe überzeugter KjGler, BDKJler, Jugendverbandler. Die katholischen Jugendverbände gehören zu meiner Identität und sie sind ein großes Stück Heimat für mich. Sie haben meinen moralischen Kompass maßgeblich mitgeprägt. Dort habe ich lebendige Demokratie gelernt und mich politisiert. Durch das Engagement habe ich die Motivation gesammelt und das Handwerkszeug gelernt, um mich einzubringen und mitzuarbeiten an einer besseren und gerechteren Kirche und Welt. Aus dem Glauben heraus, auf der Grundlage der christlichen Botschaft, die diese Amtskirche, aus der ich heute austrete, in all ihrem Tun und Reden eigentlich verkünden sollte.“

Kirche als Organ von Ausgrenzung und Diskriminierung

Seine christlichen Werte und die geübte Praxis der Amtskirche hat Lukas Färber immer weniger übereinander gekriegt. Kirche erfährt er als Organ von Ausgrenzung und Diskriminierung. Dazu kommen immer neue Enthüllungen über sexualisierte Gewalt, ausgeübt durch Kleriker, die von einem System geschützt werden, das absolut unwillig ist, an den strukturellen Ursachen dafür etwas zu ändern. „Je länger ich den Synodalen Weg mitgegangen bin, desto mehr entstand der Eindruck, dass da nicht so viel zu reformieren ist. Das Ende des Synodalen Weges hat mir sehr deutlich gemacht, dass alle Macht bei den Bischöfen liegt, dass es kaum Veränderungswillen gibt, sondern vor allem Beharrungswillen. Je mehr Ohnmachtserfahrungen ich gemacht habe, desto klarer wurde mir, dass ich außerhalb der Kirche besser für die christliche Botschaft eintreten kann. So bin ich mit meinem Gewissen im Reinen und legitimiere die Institution nicht mehr durch meine Mitgliedschaft.“

Als queerer Christ hat Lukas Färber vielerlei Ausgrenzungserfahrungen gemacht. „Dabei bin ich mir sehr bewusst, dass ich als schwuler, weißer Cis-Mann noch zu einer relativ privilegierten Gruppe innerhalb dieses Systems multipler Diskriminierung gehöre. Ich habe tiefen Respekt für alle, die noch viel mehr darunter leiden und trotzdem in dieser Amtskirche bleiben. Meine Erfahrungen auf struktureller Ebene und Gespräche mit Bischöfen haben mir deutlich gemacht, dass meine Vorstellung von Gleichberechtigung keinen Platz in der Kirche haben und nie haben werden.“

Alle Brücken hinter sich abgebrochen?

Hat der überzeugte Christ jetzt alle beruflichen Brücken hinter sich abgebrochen? Beim BDKJ Münster wird Lukas Färber weiter hauptamtlich arbeiten, die Jugendverbände bleiben seine Heimat. „Voraussetzung für das Engagement in den Jugendverbänden ist nicht die Mitgliedschaft in der Kirche, sondern die Identifikation mit den Zielen der Verbände und den gelebten christlichen Werten, so dass ich da immer noch meinen Platz habe.“

Die Diskussionen innerhalb der Kirche empfindet er als quälend. „Es geht oft nur darum, mit immer weniger Priestern das Ganze abzudecken, und die Frage lautet nicht, wie wir unsere Botschaft glaubhaft unter die Leute bringen können, wie wir die Gemeinschaft lebendig halten. Wenn die Kirche überleben will, muss sie deutlich vielfältiger werden, es braucht mehr Offenheit, offene Räume, die man gestalten kann, in denen jeder willkommen ist.“