Arnsberg. Warum sich junge Künstler für den Wald interessieren: Ein großes Ausstellungsprojekt untersucht das Verschwinden der Fichte.

Das Brot wächst nicht mehr an den Bäumen, denn die Wälder unserer Kindheit verschwinden. Borkenkäfer, Trockenheit und Klimawandel verändern die Landschaft so radikal wie seit Hunderten von Jahren nicht mehr. Das hat nicht nur wirtschaftliche und ökologische Aspekte, sondern auch kulturelle. „Da ist Trauerarbeit nötig“, unterstreicht die freischaffende Künstlerin Theresa Kampmeier.

Diese Trauerarbeit will die große Ausstellung „Das Brotbaumregime“ leisten, das die Arnsbergerin plant und organisiert. Ab dem 1. Juli setzen sich Künstlerinnen und Künstler in Arnsberg, Schmallenberg, Brilon und Eslohe unter verschiedenen Blickwinkeln mit dem Wald auseinander. Dazu kommen historisches Material, Erinnerungen der Bevölkerung und Interviews mit Menschen aus der Region, die beruflich mit Wald zu tun haben. „Das ist kulturanthropologische Forschung“ beschreibt Theresa Kampmeier den ungewöhnlichen Ansatz.

Aus sattem Grün wird Grau

Mit dem innovativen Vorgehen soll deutlich werden, wie Wälder die Region nicht nur physisch-landschaftlich prägen, sondern wie sie die Lebensgrundlage bilden, wirtschaftlich und emotional. Satte dunkelgrüne Flächen haben sich in dürre graue Mondlandschaften verwandelt, die Aufforstung wird von der jetzigen Erwachsenengeneration nicht mehr erlebt werden können. Die vertraute Heimat ist zu einem verstörenden Ort geworden. „Der Anblick ist ein ungewohnter Schock. In der Sorge um diese Waldflächen treten die Menschen vor Ort ein Erbe von rund 200 Jahren an“, konstatiert Theresa Kampmeier. Der Wandel lässt sich weder übersehen noch verdrängen. Er verlangt geradezu nach einer Intervention durch Kunst.

Der Wald ist Wirtschaftsfaktor, Ort für Freizeitvergnügen wie Mountainbiken, Wandern, Skilanglauf und damit Tourismusfaktor, grüne Lunge, Garant für Artenvielfalt, Symbol für nachhaltiges, generationenübergreifendes Handeln und zudem kulturell und religiös extrem aufgeladen. Als ewige Baum-Kathedrale der Romantiker, als Angst- und Zufluchtsort im Märchen zum Beispiel. Theresa Kampmeier (31) ist von Arnsberg zum Studium an die Städelschule in Frankfurt gegangen, heute lebt sie als freischaffende Künstlerin in Berlin. „Als jemand, der nur ab und zu nach Hause kommt, sieht man Veränderungen oft krasser. Mich hat es schon 2019 erschüttern, dass der Wald weg war, aber damals gab es noch nicht die Öffentlichkeit dafür.“

Große Unterstützung

Die Idee einer umfassenden Kunstaktion wurde von den Kulturbüros in Arnsberg, Schmallenberg und Brilon begrüßt, weitere Förderer kamen dazu. Kampmeier: „Wir haben schon sehr früh große Unterstützung und viel Vertrauensvorschuss gefunden, nicht nur in der Kunstszene, sondern auch bei Forstamtsleitern und Ortsvorstehern, die haben alle gesagt: Wir machen mit.“ Eine derart große Kunstaktion mit so vielen Beteiligten und thematisch so übergreifendem Anspruch hat es in der Region noch nicht gegeben; die Idee ist so ungewöhnlich, dass sie auch überregional weit strahlt.

Für die Auswahl der Künstlerinnen und Künstler ist die Kuratorin Christina Scheib verantwortlich, ebenfalls Arnsbergerin, die unter anderem am Gropius-Bau in Berlin gearbeitet hat. Insofern bringt der sterbende Wald auch die begabten jungen Frauen und Männer wieder ins Sauerland zurück, die heute in der überregionalen Kunstszene aktiv sind, darunter die Malerin Yala Juchmann und den Filmkünstler Daniel Almagor.

Vielfältige Vernetzung

Relevanz und Dringlichkeit des Themas führen zu vielfältigen Vernetzungen und interaktiven Angeboten. Dafür ist Dr. Tim Pickartz von der Universität Paderborn zuständig, ein Experte für Kunstvermittlung. Der britische Musiker Ben Osborn schreibt ein Abschiedslied für den Klangraum Wald, das von einem Projektchor aufgeführt wird, für den sich noch Sängerinnen und Sänger anmelden können.

Bäume werden sehr alt, sind damit Zeugen früherer Zeiten. Und noch mehr. Der heutige Wald bildet das Vermächtnis vorheriger Generationen, verbindet jetzt lebende Menschen bewusst oder unbewusst mit ihren Vorfahren. Darum geht es im Schaffen der Künstlerin und Kunstprofessorin Antje Majewski, die das ikonische Bild für die komplexen Vernetzungen, Verästelungen und Verzweigungen findet, die der Wald als Lebensraum für Südwestfalen darstellt. Ausgerechnet der Borkenkäfer liefert dieses Bild.

Borkenkäfer-Kunst

Antje Majewski untersucht in ihrer Installation „Der Wald“ die symbiotische Beziehung zwischen Wald und Mensch und entdeckt dabei ihren eigenen Wurzeln. Denn ein Vorfahr, Karl Leberecht Krutzsch, war der erste Forstwissenschaftler, der den Borkenkäfer untersuchte und beschrieb. Majewskis großformatiges Gemälde „Passagen“ vergrößert auf über fünf Metern Länge den Mikrokosmos der Borkenkäfer-Spuren im Holz, so dass er für das menschliche Auge wie unter dem Mikroskop sichtbar wird, jenes filigrane Labyrinth, das dem Insekt seine Namen „Buchdrucker“ und „Kupferstecher“ einbrachte.

Diese winzigen verzweigten Wege sorgen dafür, dass der unverrückbare Mythos Deutscher Wald heute wackelt. Aber auch sie sind ein Wunderwerk der Natur.

Die Ausstellungsorte:
Südwestfälische Galerie
in Schmallenberg-Holthausen: 1. Juli, 15 Uhr, Eröffnung.
St. Rochus-Kapelle
Eslohe: 8. Juli, 15 Uhr, Choraufführung und Gespräch.
Sauerland-Museum
Arnsberg: 15. Juli, 15 Uhr, Eröffnung. Museum Haus Hövener Brilon: 22. Juli, 15 Uhr, Eröffnung.
www.brotbaumregime.info